BERLIN/BRÜSSEL. Die Spitzenkandidatin des großen Wahlverlierers SPD bei der Europawahl, Katarina Barley, soll Präsidentin des Europaparlamentes werden. Vorgesehen für ihre Amtsübernahme ist die zweite Hälfte der fünfjährigen Legislaturperiode. Mit diesem Ziel gehen die Sozialdemokraten in die Verhandlungen um die große Ämtervergabe nach der Europawahl, wie auf einer Pressekonferenz Barleys mit der Parteispitze in Berlin am Montag deutlich wurde.
Barley hat zum zweiten Mal hintereinander das schlechteste Ergebnis zu verantworten, das die SPD jemals bei bundesweiten Wahlen eingefahren hat. 2019, bei ihrer ersten Spitzenkandidatur, war die Partei um 11,5 Punkte auf 15,8 Prozent abgesackt. Am vergangenen Sonntag unterbot Barley den bisherigen Tiefstand noch einmal: Mit 13,9 Prozent landete die SPD hinter Union und AfD auf Platz drei.
Barley setzt EVP unter Druck
Doch beim großen Postenpoker in Brüssel spielen Wahlergebnisse kaum eine Rolle. Es geht um Bündnisse. Motto: Gibst du mir, gebe ich dir. Die EVP, zu der CDU und CSU gehören, ist mit 186 Sitzen weit von einer absoluten Mehrheit im 720 Abgeordnete umfassenden Parlament entfernt. Da sie den Kommissionspräsidenten stellen will – ob das Ursula von der Leyen (CDU) bleibt, ist ungewiß –, braucht sie Partner, denen sie Versprechungen machen kann. Davon möchte Barley profitieren.
Die SPD-Politikerin will nach zweieinhalb Jahren Legislaturperiode die Malteserin Roberta Metsola (EVP) ablösen, deren Wahl für die erste Hälfte als sicher gilt. Die Sozialisten stellen mit 137 Abgeordneten die zweitstärkste Fraktion, sind aber kleiner als die rechten Parteien zusammen, die insgesamt 157 Mandate erreichten. Diese sind jedoch auf die Fraktionen EKR (73) und ID (58) aufgespalten. Hinzu kommen die bis jetzt fraktionslosen AfD (15) und ungarische Fidesz (11).
Auch Europawahl-Verlierer Grüne profitiert
Die SPD macht zur Bedingung für eine Kooperation mit der EVP, daß diese „sich nicht auf Rechtspopulisten und Rechtsextremisten in ihrer Mehrheitsfindung stützt“. Ihren Anspruch auf den Parlamentspräsidentenposten erklärte Barley damit, daß auch Metsola bei der Wahl auf Malta verloren habe. Barley betonte auf der Pressekonferenz am Montag: „Das ist ein eigener politischer Bereich, wo eigene Gesetze gelten.“ Heißt: Um Europawahl-Ergebnisse geht es in der EU nicht.
Davon könnten auch die Grünen profitieren, sollte von der Leyen an der Spitze der Kommission abgelöst werden. Dann würde der größte Wahlverlierer der Europawahl vom Sonntag zum Zuge kommen. Denn dadurch hätte Deutschland Anspruch auf einen Kommissar, und den hat die Ampel-Koalition lange vor dem Wahlsonntag der Ökopartei zugesagt. Die Grünen waren um 8,6 Punkte auf nur noch 11,9 Prozent und von Platz zwei auf Rang vier abgestürzt. Als Favorit für das Amt gilt Anton Hofreiter. (fh)