BERLIN. Der Petitionsausschuß des Bundestages hat sich am Montag mit einem Ersuchen, in dem die Beibehaltung der Agrardieselrückvergütung sowie der KfZ-Steuerbefreiung für Land- und Forstwirte gefordert wird, befaßt. Petentin war die junge Landwirtin Marie von Schnehen aus dem niedersächsischen Friedland. Nachdem sie für ihre Mitte Dezember gestartete Petition mehr als eine Million Unterschriften gesammelt hatte, wurde die parteilose von Schnehen von der Bild-Zeitung als „das Gesicht der Bauernproteste“ bezeichnet. Im Ausschuß stand ihr die Landwirtin und Agrar-Ingenieurin Marie Hoffmann aus Nordrhein-Westfalen zur Seite.
Marie von Schnehen sammelte mit ihrer Petition gegen die Kürzungen der Agrarsubventionen über 1,1 Millionen Unterschriften.
Heute wurde sie im Petitionsausschuss des Bundestages angehört 👏🏻https://t.co/MyOpQao9Xz pic.twitter.com/bu9rdf77gY— Change.org Deutschland (@ChangeGER) January 15, 2024
Zu Beginn der Debatte bat die Ausschußvorsitzende Martina Stamm-Fibich die Zuschauer, „von Beifall und Mißfallensbekundungen abzusehen“. Auch das Zeigen von Plakaten sowie das Verteilen von Informationsmaterial sei nicht gestattet, so die SPD-Abgeordnete. Nötig waren die Hinweise jedoch nicht, denn die Diskussion zwischen den Bäuerinnen und den Vertretern der Regierungsfraktionen verlief unerwartet harmonisch.
Landwirtin wünscht sich mehr Planungssicherheit
So stellte die Bio-Bäuerin von Schnehen in ihrer Einleitung sofort klar, den von der Bundesregierung vorangetriebenen Umbau zu erneuerbaren Energien mitzutragen. Sie selbst habe den Hof, den sie mit 27 Jahren von ihrer Familie übernommen habe, im Sinne von Klima- und Biodiversitätsschutz „nachhaltig“ umgestaltet. Damit reduzierte sich ihre Kritik an den Plänen der Bundesregierung schnell auf finanzielle Aspekte. So sei es ungerecht, daß Landwirte, die 0,7 Prozent der gesamtwirtschaftlichen Leistung erbringen, „2,6 Prozent der Haushaltslöcher stopfen müssen“, argumentierte sie.
Ihr „größter Wunsch an die Politik“ sei mehr Planungssicherheit für Landwirte. Auch müsse berücksichtigt werden, daß die Bauern „für die Produktion von Lebensmitteln weiter auf Diesel angewiesen sind“. So könne Getreide „nur mit dem Traktor gesät und mit dem Mähdrescher geerntet werden“. Vor diesem Hintergrund sei auch die schrittweise Rücknahme der Agrardieselrückvergütung ungerecht.
Ampel reagiert mit Lob und Verständnis auf Anliegen der Bauern
Die anwesenden Vertreter der Ampel-Parteien reagierten auf die Petition mit Lob und Verständnis. Sie sei „dankbar für diese Petition“, sagte etwa die Parlamentarische Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, Claudia Müller (Grüne), da diese das Thema des „energetischen Umbaus der Landwirtschaft in den Mittelpunkt“ stelle. Der werde aber „noch Zeit brauchen“, da die Umstellung auf andere Energieträger „erstmal nicht umsetzbar“ sei. Ihre Parteikollegin Swantje Henrike Michaelsen beglückwünschte Marie von Schnehen „für die vielen Unterschriften“.
„Ich möchte mich bei den Bauern entschuldigen“, sagte der SPD-Abgeordnete Erik von Malottki. Es sei ein „Fehler“ gewesen, „zu wenig miteinander gesprochen“ zu haben. Als Lösung brachte der Sozialdemokrat „eine Beteiligung der Konzerne“ ins Gespräch. In eine ähnliche Richtung begab sich Anne Monika Spallek (Grüne), die nach der Marktstellung des Einzelhandels fragte und forderte, „faire Preise umzusetzen“.
„Sie haben den Finger in die Wunde gelegt, deswegen sitzen wir heute hier“, lobte der FDP-Parlamentarier Ingo Bodtke. Die Rücknahme der Agrardieselvergütung sei lediglich finanzpolitisch motiviert gewesen. Sie folge keinem agrarpolitischen Konzept, kritisierte Bodtke und plädierte für die Förderung eines Programms „zur Umstellung auf erneuerbare Antriebe“.
CDU nutzt die Debatte für Regierungskritik
Die CDU hingegen fokussierte sich auf weitere Kritik an der Regierung. So sprach deren Abgeordneter Yannick Bury etwa vom „Finanzchaos der Bundesregierung“, das die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirte bedrohe.
Zumeist war die 66minütige Debatte jedoch eine Diskussion über eine mögliche Umstellung der Landwirtschaft auf andere Energieträger. Dabei dämpfte Claudia Müller die Erwartungen und wies unter anderem darauf hin, daß die „Transformation von Antrieben“ kein rein landwirtschaftliches Thema sei. Und dort hätte man es mit „großen, sehr energiestarken Maschinen“ zu tun, die „nicht alle elektrifiziert werden können“.
Marie Hoffmann verwies auf den dieselähnlichen Biokraftstoff Hydrotreated Vegetable Oil (HVO). „Hier fehlt noch der wirtschaftliche Anreiz“, kritisierte sie. Die Landwirtin begründete das damit, daß ein Liter des auch als „hydriertes Pflanzenöl“ bezeichneten HVO 15 Cent teurer als Diesel sei und aufgrund der fehlenden Rückvergütung die Bauern sogar 36 Cent mehr koste.
AfD-MdB fragt auch nach Özdemirs Rücktritt
Zwischendurch fragten Ausschußmitglieder der Ampelparteien aber auch nach anderen Möglichkeiten, Landwirte finanziell zu entlasten. Katja Hessel, Parlamentarische Staatssekretärin im Finanzministerium, hielt sich bei ihren Antworten dazu jedoch bedeckt. Die Wortbeiträge des AfD-Abgeordneten Dirk Brandes sorgten jedoch mehrfach für kontroverse Reaktionen. So etwa als Brandes einen vor Jahren gestellten Antrag der AfD-Bundestagsfraktion ansprach, der die Verdoppelung der Agrardieselrückvergütung zum Ziel hatte. Auch die CDU habe gegen den Antrag gestimmt, erinnerte er.
Das rief den fraktionslosen Abgeordneten Sören Pellmann auf den Plan, der der AfD vorhielt, sie habe sich in ihrem Programm strikt gegen Subventionen ausgesprochen. „Daß Sie als Linker mehr Ahnung von Umverteilung haben als von marktwirtschaftlichen Mechanismen, ist mir schon klar“, antwortete Brandes. „Wir können ja gerne noch mal darüber sprechen, was eine Steuererleichterung und was eine Subvention ist.“
Als der AfD-Politiker danach fragte, ob Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir über einen Rücktritt nachdenke, reagierte dessen Staatssekretärin Claudia Müller sichtlich pikiert: „Natürlich denkt er nicht über einen Rücktritt nach“, antwortete sie. Der Minister sei im Vorfeld nicht in die Planungen der Bundesregierung eingebunden gewesen. Später habe er seine ablehnende Haltung dazu jedoch „klar zum Ausdruck gebracht“.
Geld für Fahrradwege in Peru „Beitrag zum weltweiten Klimaschutz“
Eine letzte Kontroverse gab es, als Dirk Brandes kritisierte, daß Leistungsträgern wie den Bauern Geld genommen werde, gleichzeitig aber „Geldgeschenke in die Welt verteilt“ und „unser Geld überall versenkt“ werde. Als Beispiel dafür nannte er deutsche Steuermillionen für Fahrradwege in der peruanischen Hauptstadt Lima.
In ihrer Antwort verwies Claudia Müller darauf, daß Deutschland das Pariser Klimaschutz-Abkommen unterzeichnet habe und dies „völkerrechtlich bindend“ sei. Brandes‘ Darstellung zur deutschen Förderung von Fahrradwegen in Peru sei „so weit richtig“, aber als „Beitrag zum weltweiten Klimaschutz“ zu sehen. (wp)