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Mode: Die Bomberjacke ist zurück

Mode: Die Bomberjacke ist zurück

Mode: Die Bomberjacke ist zurück

Die österreichische Schauspielerin Vidina Popov: Die Bomberjacke war früher hochpolitisch
Die österreichische Schauspielerin Vidina Popov: Die Bomberjacke war früher hochpolitisch
Die österreichische Schauspielerin Vidina Popov: Die Bomberjacke war früher hochpolitisch picture alliance/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene
Mode
 

Die Bomberjacke ist zurück

Wer sich in den Neunzigern oder frühen Nullerjahren mit ihr zeigte, bei dem war klar was Sache ist. Die Bomberjacke war ein politisches Kleidungsstück, ein Stück Stoff aus dem Bierdunst und Ausländerfeindlichkeit entstiegen. Und heute? Mittlerweile kommt kaum eine modebewußte Frau ohne sie aus
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Bomberjacken waren nie elegant. In den späten Achtzigern und frühen Neunzigern waren sie das Accessoire der Skinheads und wurden zur Ikone einer Ära, die Linke später „Baseballschlägerjahre“ nannten. Keine Illustrierte kam ohne das Symbolbild vom tumben Glatzkopf mit Bomberjacke und Springerstiefeln aus, wenn ein Artikel über „rechte Aufmärsche“ zu illustrieren war. Die frühere Bundesfamilienministerin Christine Bergmann wollte vor zwanzig Jahren das Tragen von Bomberjacken an Schulen sogar verbieten.

Nach den Gewaltorgien von Rostock bis Mölln verschwand die Bomberjacke aus dem Straßenbild, weil durch die mediale Negativ-Omnipräsenz niemand mehr darin herumlaufen konnte, ohne als vermeintlicher „Nazi“ identifiziert zu werden. Mit der Bomberjacke kam man in keine Kneipe und keine Disco mehr. Da halfen auch keine Aufnäher oder Buttons mit dem Trojanerhelm oder „SHARP“ (Skinheads Against Racial Prejudice), den Symbolen nicht-rechtsextremer Kahlköpfe.

Nun ist der grüne bis schwarze Nylon-Blouson als trendiges „Must-Have“ für modebewußte Damen auf dem City-Laufsteg zurück – bei den Herren ist das bereits länger der Fall. Allerdings kommen die Trägerinnen nicht in klobigen Arbeiterstiefeln daher, sondern in Sneakern oder High Heels. Die Bomberjacke ist laut New York Fashion Week das „It-Piece“ der Frühjahrssaison 2023. Zumindest wenn man Modejournalen wie Für Sie oder Freundin glaubt.

Bomberjacke hat Ursprung in der schwarzen Jugendkultur

Die Geschichte der Bomberjacke beginnt im Zweiten Weltkrieg mit dem US-Army-Ausrüster Alpha Industries. Nach dem Krieg wurde die Pobetonende praktische Windjacke vor allem bei der britischen Jugend beliebt, insbesondere bei Motorrollerfahrern. Diese „Scooter-Boys“ entdeckten in den sechziger Jahren einen neuen Musikstil aus Jamaica für sich: Ska-Musik. Die dazugehörige Jugendsubkultur importierten sie gleich mit, den Skinhead-Kult. Ja richtig: Die ersten Skins waren schwarze Jamaikaner wie die Ska-Musiker Laurel Aitken („Skinhead Train“) oder Roy Ellis („Skinhead Moonstomp“). Weiße DJs wie Alex Hughes („Judge Dread“) machten Ska und Skinhead-Kultur auf der Regeninsel populär – Huch, kulturelle Aneignung! Die breiter wirkende Bomberjacke paßte perfekt zum maskulin-martialischen Stoppelschnitt und schweren Schnürstiefeln.

In den Siebzigern wurden Ska und Skins von Disco und Punk verdrängt. Erst das Revival, das der britische Musikjournalist Garry Bushell 1980 auslöste, brachte die Bomberjacke wieder auf Plattencover. Allerdings hatten nun viele neue Fans von den schwarzen Ursprüngen der Skinhead-Musik keine Ahnung und hielten das Ganze für eine brandneue Sache.

Da sich viele Skinheads der zweiten Generation auch gerne als Fußballhooligans betätigten, fiel es der britischen National Front leicht, weite Teile in den Stadien zu rekrutieren. Statt jamaikanischer Ska-Bands wurden nun Musiker wie die Cockney Rejects zu Idolen, deren musikalische Wurzeln eher im Punkrock lagen und die berüchtigte Schläger der Londoner Westham-Hools waren.

Von der Randale zu pinkem Satin

Mit dieser neuen Welle schwappte auch die Bomberjacke Anfang der Achtziger nach Deutschland. Schon ab 1983 hatte die Skinhead­szene schwer rechtsextreme Schlagseite – und die Bomberjacke war ihr Markenzeichen. Ab 1989 erfreute sich das preisgünstige leichte Oberteil auch im Osten weiter Verbreitung unter gewaltbereiten jungen Männern (und wenigen jungen Frauen).

Jetzt taugt das legendäre Kleidungsstück also für die Frühjahrskollektion der Modehäuser  – am besten aus pinkem Satin! –, und das einstige Randale-Image ist nur noch ein wohldosierter Parfümspritzer „Taffheit“ für die moderne Powerfrau. Damit ist der frühere Jugendsubkult erfolgreich kommerzialisiert. Ein Schicksal, das irgendwann jede Jugendbewegung ereilt, wie längst zuvor schon Punk und Hip-Hop.

Früher trugen fast ausschließlich die Jungs in der Szene Bomberjacken, die Mädchen bevorzugten meist Harrington-Blousons oder Jeans. Aber in einer Zeit, in der Männer-Attrappen mit Dutt und in Röcken herumstelzen, ist es nur folgerichtig, daß jetzt die Frauen auch Bomberjacken tragen.

JF 12/23

Die österreichische Schauspielerin Vidina Popov: Die Bomberjacke war früher hochpolitisch picture alliance/dpa-Zentralbild | Jens Kalaene
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