LEIPZIG. Der Anwalt des Musikers Gil Ofarim, der sich derzeit wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung vor Gericht verantworten muß, fürchtet einen „Schauprozeß“ gegen seinen Mandanten. „Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Leipziger Justiz hier einen Schauprozeß anstreben könnte, nicht ausschließbar aus politischen Gründen“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der Jurist warnte vor „einer massiven medialen Vorverurteilung“. Zudem sprach er der sächsischen Justiz vor, nicht unabhängig zu agieren. „Trotz der grundrechtlich geschützten Unschuldsvermutung haben ausgerechnet der Landesvater, Ministerpräsident Kretschmer, aber auch beispielsweise Ex-Justizminister Heiko Maas sich im Vorfeld zur Sache inhaltlich geäußert und ihrer untergebenen Justiz damit Leitlinien einer Verurteilung quasi vorgegeben.“ Beide hatten sich nach den von Ofarim erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen gegen ein Leipziger Hotel allerdings hinter den Musiker gestellt. Inhaltlich werde sich der Musiker nicht mehr zu den Vorwürfen äußern.
Anklage gegen Ofarim erhoben
Der Künstler hatte im vergangenen Oktober behauptet, er sei wegen eines von ihm getragenen Davidstern in einem Hotel diskriminiert worden. Die Schilderung Ofarims „konnte nach Auffassung der Staatsanwaltschaft im Ergebnis der Ermittlungen nicht bestätigt werden“, teilte die Behörde im März nach monatelangen Untersuchungen mit.
Obwohl „umfangreiche Ermittlungen“ veranlaßt worden seien, konnte die Staatsanwaltschaft im Ergebnis „keine Feststellungen treffen, welche die Schilderung des Gil Ofarim zum Geschehensablauf bestätigen.“ Die Ermittlungen gegen einen Hotelmitarbeiter, den Ofarim angezeigt hatte, wurden eingestellt.
Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage und wirft dem 39jährigen zudem vor, während einer Vernehmung durch die Polizei „wider besseres Wissens“ Anzeige wegen Verleumdung gegen den Angestellten gestellt zu haben, der seinerseits Ofarim bei der Polizei anzeigte. Aufgrund der überregionalen Berichterstattung wurde die Anklage nicht vor dem Amtsgericht, sondern dem Landgericht erhoben, das nun über die Zulassung entscheidet.
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Immer neue Widersprüche
Der Fall hatte im Oktober ein deutschlandweites Medienecho hervorgerufen. Zahlreiche Prominente solidarisierten sich mit dem Musiker und riefen zum Boykott des Leipziger Hotels auf. Dieses wehrte sich gegen die Vorwürfe und beauftragte eine Anwaltskanzlei, den Vorwürfen nachzugehen.
Ofarim verwickelte sich im Laufe der Zeit in immer neue Widersprüche. Nachdem ein Überwachungsvideo aufgetaucht war, das ihn wild gestikulierend und ohne Davidstern zeigte, ruderte der Künstler zurück und behauptete, es sei in Wirklichkeit nie um diesen gegangen. Er sei angegriffen worden, weil bekannt sei, daß er jüdischen Glaubens sei und den Davidstern „immer“ trage. Bilder auf seinem eigenen Instagram-Profil bewiesen allerdings das Gegenteil. (ho)