KÖLN. Der Rechtsanwalt Christian Mertens hat gefordert, Sachbeschädigungen und andere Sabotageakte durch radikale Klimaschützer juristisch als Notwehr zu behandeln. „Wer sich aus Notwehr gegen etwas zur Wehr setzt, handelt nicht rechtswidrig“, sagte der Jurist, der bereits mehrmals radikale Klima-Akteure vertreten hatte, gegenüber der Welt.
Wenn beispielsweise der Landtag in Nordrhein-Westfalen den Bau eines Kohlekraftwerks genehmige, steige nach dessen Inbetriebnahme „irgendwo im globalen Süden“ der Meeresspiegel langfristig an, warnte Mertens. In der Folge würden dort Hunderttausende Menschen obdachlos. Demnach sei der Betrieb eines solchen Werks ein „vorsätzlicher, rechtswidriger Angriff, weil er nachweislich dafür verantwortlich ist, daß Menschen sterben.“ Die Sabotage eines solchen Betriebes sei deshalb als Akt der Notwehr mit einem Freispruch zu ahnden.
Mertens: Politiker haben Bezug zur Realität verloren
Auf die Frage, warum die Protestierer ihren Unmut nicht direkt gegen politisch Verantwortliche, statt gegen unbeteiligte Autofahrer richten, entgegnete der Strafverteidiger, daß viele der Politiker „teilweise schon den Bezug zur Realität und zum gesellschaftlichen Diskurs verloren“ hätten, weshalb friedliche Kundgebungen allein keine Wirkung zeigten. „Sie dürfen im Rahmen der Notwehr das mildeste ihnen zur Verfügung stehende Mittel einsetzen, das einen Angriff sofort beendet. Sie müssen dann nicht etwa zehn Jahre warten, bis ihnen eine andere Lösung einfällt – und so viel Zeit haben wir ja auch schlicht nicht mehr.“ Als Erpressung gewählter Regierungen betrachte er derlei Aktionen nicht, denn: „Es gibt Positionen, die sind nicht verhandelbar.“
Bereits 2019 hatte der Anwalt gemeinsam mit vier Kollegen mit ähnlichen Argumenten milde Urteile für seine Klienten erwirkt: Vor dem Amtsgericht Eschweiler etwa standen fünf Personen vor Gericht, die im Jahr 2017 ein RWE-Kohlekraftwerk in Weisweiler durch Blockaden stundenlang lahmgelegt hatten. Statt zu den von RWE geforderten rund zwei Millionen Euro Schadensersatz, verurteilte das Gericht die Angeklagten zu je 250 Euro, sowie einen zu 300 Euro Strafe. (st)