Auch beim Kampf gegen die Corona-Pandemie muß auf diskriminierungsfreie Begrifflichkeiten geachtet werden. Nachdem bereits im vergangenen Jahr der damalige US-Präsident Donald Trump Empörung dafür erntete, daß er vom „China-Virus“ sprach und auch der Begriff „Wuhan-Virus“ für Kritik sorgte, widmet sich die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den politisch unbedenklichen Namen für die Virus-Mutanten.
Bislang waren für sie Namen nach dem Land der ersten Feststellung geläufig: britische, südafrikanische, brasilianische und indische Mutante. Doch damit ist seit Montag Schluß. Die WHO teilte mit, daß die unterschiedlichen Versionen des Virus mit griechischen Buchstaben, geordnet nach ihrem Entdeckungsdatum, benannt werden sollen. Die britische Variante wird also zu Alpha, die in Südafrika entdeckte Mutation zu Beta, und so weiter.
Die technische Leiterin des WHO-Programms für gesundheitliche Notfälle, Maria Van Kerkhove, begründete laut Nachrichtenagentur dpa die bahnbrechende Entscheidung wie folgt: „Kein Land soll für die Entdeckung und die Meldung von Varianten stigmatisiert werden.“ Das solle nun durch die Namensänderung ein Ende haben und die öffentliche Kommunikation erleichtern, hofft die WHO.
Schweinegrippe – War da nicht was?
Wie viel Hirnschmalz man bei der Weltgesundheitsorganisation dafür aufgewendet hat, verriet der daran beteiligte Bakteriologe Mark Pallen. Während des monatelangen Prozesses seien Überlegungen, griechische Götter oder neue Wortschöpfungen zu verwenden, wieder verworfen worden. Denn viele der vermeintlichen Lösungen seien schon für Marken- oder Unternehmensnamen in Benutzung.
Aufmerksame Zeitgenossen fühlen sich an das Theater um die Schweinegrippe 2009/2010 erinnert. Damals gab es um die Krankheit einen ähnlich bizarren Namensstreit, der über profane Stigmatisierung hinausging und bisweilen religiöse Gefühle betraf. Damals verkündete Israels stellvertretender Gesundheitsminister Jakob Litzman, auf den Begriff zu verzichten, da Schweine für Juden und Moslems als unrein gelten. Stattdessen setzte er auf den Begriff „mexikanische Grippe“. Im Zweifel bevorzugte man folglich lieber mögliche diplomatische Verstimmungen mit Mexiko.
Ob sich dadurch die Einwohner des mittelamerikanischen Landes stigmatisiert fühlten, ist nicht sicher überliefert. Gut zehn Jahre später scheint allerdings nicht ausgeschlossen, daß sich ein Verfechter der griechischen Kultur berufen fühlten könnte, gegen die neuen Namen der Corona-Varianten Sturm zu laufen. Sollte es so kommen, finden sich bei der WHO sicherlich wieder kluge Köpfe, die in monatelangen Überlegungen eine neue Lösung finden werden. Ganz bestimmt.