In Münster nichts Neues. In der westfälischen Stadt treibt die Verantwortlichen seit Jahrzehnten die Frage um, ob Kaiser Wilhelm II. (1859-1941) als Namensgeber der örtlichen Universität noch zeitgemäß ist. Vor zwei Jahren setzte der Senat der Wilhelms-Universität Münster (WUM) eine achtköpfige Arbeitsgruppe (AG) ein. Die hat sich nun dafür ausgesprochen, „die Herausforderung anzunehmen, sich kritisch, öffentlich und offensiv der Frage zu stellen, wie der Namenspatron der Universität Münster in der Gegenwart zu beurteilen“ sei.
Klingt zunächst, als würden sich die acht Mitglieder der AG in den kommenden Jahren intensiv mit dem Wirken des letzten deutschen Kaisers beschäftigen und ergebnisoffen diskutieren, ob die Universität seinen Namen behält oder nicht. Doch zugleich schlug die AG der Universitätsleitung bereits einen umfangreichen Maßnahmenkatalog vor, der in zwei Jahren die Basis der Namensentscheidung sein soll. Der Senat beauftragte am Mittwoch das Rektorat mit dessen Umsetzung.
So soll nun auf der Homepage der Universität, auf Infotafeln, Broschüren und durch öffentliche Diskussionsreihen eine „öffentlich-kritische Debatte“ über den Monarchen begonnen werden. Auch die Erstsemester werden nach den Wünschen der AG künftig während ihrer Begrüßung über den Namensgeber ihrer alma mater aufgeklärt.
Namensänderung mit Ansage
Grundlage für die Erstellung des Maßnahmenkatalogs, dessen Umsetzung laut WDR 83.000 Euro kosten soll, ist laut AG-Befund, daß der Hohenzollernkaiser „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch war, darin teils seine Zeitgenossen übertreffend“. Im Abschlußbericht heißt es: „Perspektivisch kann eine solche Diskussion über die eigene Identität auch dazu führen, einst eine Namensänderung unumgänglich zu machen.“
Führt man sich vor Augen, daß mit ähnlichen Urteilen über Persönlichkeiten der deutschen Geschichte wie Ernst Moritz Arndt oder Paul von Hindenburg schon frühere Umbenennung begründet wurden, scheint ein Namenswechsel der WUM in zwei Jahren sicher. Damit es nicht doch noch Widerstand gibt, wie schon im Fall der Umbenennung des Münsteraner Hindenburgplatzes, soll die „kritische Auseinandersetzung“ mit dem Kaiser die gesamte Stadtgesellschaft zum Ziel haben.
Der Vorgang mutet wie ein geschichtspolitischer Schauprozeß an. Blicken wir in die Kristallkugel: In zwei Jahren wird ein denkbar negatives Urteil über den Namensgeber der Universität gefällt. Man wird – oh Wunder – zu dem Schluß kommen, daß die Universität nicht mehr den Namen des Kaisers tragen sollte. Wer würde dagegen wetten in Zeiten, in denen auch dem Medizinnobelpreisträger Robert Koch die Eignung als Namenspatron abgesprochen wird?