BRÜSSEL. Das Wiederaufbauprogramm der EU soll nach dem Willen von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) größer ausfallen als zunächst von Berlin und Brüssel vorgeschlagen. Wie von der Leyen am Mittwoch bekanntgab, plane die EU-Kommission, einen 750 Milliarden Euro schweren Fonds aufzusetzen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie zu bekämpfen.
Von der Leyen verglich in ihrer Rede vor dem EU-Parlament die Corona-Krise mit historischen Herausforderungen der Europäischen Union. „Heute erleben wir unseren eigenen definierenden Moment“, zitierten mehrere Nachrichtenagenturen die CDU-Politikerin. Das Finanzprogramm sei ein Pakt der Generationen. Die Krise erfordere heute Investitionen in beispiellosem Ausmaß. „Aber wir müssen das so angehen, daß die nächste Generation morgen davon profitiert.“ Sie sprach von einem „entscheidenden Moment“ für ihre Generation. Die Investitionen sollten zudem die Grundlage bilden für eine digitale und klimaneutrale Union. Ziel sei „ein grünes, digitales und widerstandsfähiges Europa“.
500 Milliarden Euro an Zuschüssen
500 Milliarden Euro sollen als Zuschüsse an bedürftige Mitgliedsstaaten vergeben werden, 250 Milliarden in Form von sehr niedrig bezinsten Darlehen. Der größte Profiteur wäre demnach Italien mit Zuschüssen von 82 Milliarden und Krediten in Höhe von 91 Milliarden. Spanien erhielte 77 Milliarden an Zuschüssen und 63 Milliarden an Krediten, berichtete der österreichische Standard, dem das vollständige Konzept vorliegen soll.
Diese als Wiederaufbauhilfe bezeichnete Summe soll Teil des regulären EU-Haushalts von rund 1,1 Billionen Euro für die Jahre 2021 bis 2024 werden. Von der Leyens Pläne übersteigen damit den als Mercron-Plan bezeichneten Vorschlag von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (En Marche). Sie hatten von Finanzhilfen in Höhe von 500 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen gesprochen. Dagegen hatte es Kritik von den „sparsamen Vier“ – Österreich, Niederlande, Dänemark und Schweden – gegeben, die zwar für Hilfen über die EU, aber in Form von Krediten waren.
Aus CO2-Abgaben und Digitalsteuern finanziert
Finanziert werden sollen die Subventionen nicht über Beiträge der EU-Staaten, sondern über künftige Abgaben an Brüssel. Zunächst würde jedoch die Kommission das Geld an den Finanzmärkten aufnehmen und ab 2028 zurückzahlen. Um diese Kredite bedienen zu können, plant die EU-Kommission eigene Einnahmen aus CO2-Abgaben zu generieren.
Pro Jahr sollen zehn Milliarden Euro durch den Handel mit Emmissionszertifikaten ins EU-Budget fließen, die sowohl aus der Luft-, als auch aus der Seefahrt kommen. Weitere fünf bis 14 Milliarden Euro jährlich sollen aus CO2-Abgaben für Einfuhren in die EU in den Brüsseler Haushalt fließen. Hinzu kämen rund 1,3 Milliarden Euro an Digitalsteuern.
Der AfD-Chef und Vorsitzende der Delegation im EU-Parlament, Jörg Meuthen, kritisierte von der Leyens Vorstoß scharf: „Schon der Mercron-Plan war ein Schlag ins Gesicht der deutschen Steuerzahler. Es ist ein trauriger Tiefpunkt, daß Frau von der Leyen und die Kommission dies noch toppen. So sollen über Kredite finanzierte Zuwendungen nicht von den Empfängerstaaten, sondern von allen gemeinsam zurückgezahlt werden.“
Schon in der Corona-Krise habe die EU versagt. „Daß sie sich jetzt auch noch weitere Kompetenzen, Steuern und Gelder zuschanzen möchte, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten.“ Meuthen warnte: „Alle verschulden sich auf Kosten Deutschlands. Das ist kollektive Verantwortungslosigkeit.“ Von der Leyen plane einen „klaren Verstoß gegen das Verschuldungsverbot“.
Ökonomen: „Politisch wird das für erheblichen Widerstand sorgen“
Ökonomen vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) hatten Anfang der Woche eine Studie vorgestellt, in der sie Wirkung und die Kostenaufschlüsselung des Merkel-Macron-Vorschlags analysierten. „Wenn der Recovery Fund einen Beitrag zur Gesundung leisten soll, dann muß das Geld sehr rasch fließen und zielgenau zur Konjunkturbelebung genutzt werden. Der langfristige Nutzen des Fonds ist hingegen nicht erkennbar“, resümierten die Wirtschaftswissenschaftler.
Laut den Berechnungen mit 500 Milliarden Euro als Grundlage müßte Deutschland netto zwischen 23 und 38 Milliarden Euro tragen. Größter Nettozahler im Verhältnis zur Wirtschaftskraft wäre allerdings Polen mit 10,4 Milliarden Euro. „Ökonomisch ist es richtig, daß jetzt auch Gelder von Osteuropa nach Südeuropa fließen, weil die Rezession im Süden besonders tief ist. Politisch wird das allerdings für erheblichen Widerstand sorgen“, gaben die ZEW-Forscher zu bedenken. (ls)