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Julian Assange: Das Ende der Geschichte eines falschen Helden

Julian Assange: Das Ende der Geschichte eines falschen Helden

Julian Assange: Das Ende der Geschichte eines falschen Helden

Julian Assange
Julian Assange
Julian Assange: Am Ende Foto: picture alliance / empics / JF-Montage
Julian Assange
 

Das Ende der Geschichte eines falschen Helden

Als Julian Assange am 11. April mit verfilzten Haaren, wilden Augen und nackten Füßen von britischen Polizisten aus der ecuadorianischen Botschaft in London gezerrt wurde, da ging eine Anti-Establishment-Saga zu Ende. Doch Assange war weder Journalist noch unerschrockener Aufklärer, sondern ein egozentrischer Selbstdarsteller, der eine lange Haftstrafe verdient. Ein Kommentar von Markus Brandstetter.
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Als Julian Assange am 11. April mit verfilzten Haaren, wilden Augen und nackten Füßen von britischen Polizisten aus der ecuadorianischen Botschaft in London gezerrt wurde, da ging eine Anti-Establishment-Saga zu Ende, die eine Zeitlang die ganze gute Welt in Atem gehalten und den egozentrischen, ewig widerständigen und auf eine verquere Art charismatischen Assange in das Rampenlicht der Weltbühne katapultiert hatte.

Begonnen hatte die Geschichte dieses falschen Helden in der australischen Pampa, wo er vaterlos bei einer theaterspielenden Mutter aufwuchs, mit der er durch das australische Outback zigeunerte, andauernd die Schule wechselte und nichts Vernünftiges lernte – außer, wie man Computer hackt. Frühreif und frühbegabt gab er sich mit sechzehn das Pseudonym „Mendax“ (Lügner) und begann mit zwei anderen, in die Computernetze großer Firmen einzubrechen, selbstverständlich mit dem Ziel, die Welt zu verbessern.

Mitte der neunziger Jahre kam ihm die australische Polizei auf die Schliche, aber ein Richter mit goldenem Herzen und Verständnis für junge Kriminelle verurteilte ihn zu einer lächerlichen Geldstrafe, nahm ihm aber immerhin das Versprechen ab, sich zu bessern, was einer wie Assange zum Anlaß nahm, das genaue Gegenteil zu tun.

Abgebrochenes Studium und spektakulärer Coup

Nachdem er, wie so viele große Männer vor ihm, das Studium abgebrochen hatte, gründete er 2006 die Internetplattform WikiLeaks. Der Name ist Programm: das hawaiianische Wort „Wiki“ bedeutet „schnell“, ein „Leak“ bezeichnet ein „Leck“, also eine undichte Stelle, während „to take a leak“ der englische Ausdruck für „pinkeln“ ist. Es sollte sich bald zeigen, daß alle drei Bedeutungen keineswegs doppel- oder gar tiefsinnig, sondern ganz wörtlich gemeint waren.

WikiLeaks war also eine Internetseite, die heimlich und stets illegal erbeutete Computerdaten „quick and dirty“ vor den Augen der Welt ausbreitete, um damit Organisationen, Unternehmen und Leuten, die Assange und seine Hacker-Kumpanen nicht mochten, zu diskreditieren, ihnen zu schaden, ja sie vielleicht ganz zu Fall zu bringen. Sowas gefällt guten Menschen auf der ganzen Welt, denn Schadenfreude, Häme und Bosheit sind universal und Assange und seine Helfershelfer hatten sich als Ziele ja genau die Institutionen ausgesucht, die zwar jeder braucht, aber keiner mag: das amerikanische Militär, politische Parteien und Großunternehmen.

Nachdem WikiLeaks mit Peanuts-Veröffentlichungen gestartet war, gelang Assange im Jahr 2010 ein spektakulärer Coup, als er auf WikiLeaks eine halbe Million Dateien veröffentlichte, die die amerikanische Militärführung in Afghanistan und im Irak bis auf die Knochen blamierte. Unvergeßlich das Video, das zwei amerikanische Helikopterpiloten dabei zeigt, wie sie in Bagdad Zivilisten totschießen und im Cockpit dazu Witze machen.

Wikileaks war plötzlich in aller Munde und Assange auf einen Schlag weltberühmt, was ihm sichtbar guttat. Der kleine Hacker aus der australischen Provinz ohne festen Wohnsitz, Einkommen, Beruf und Karriere war über Nacht zu einem Player auf der Weltbühne aufgestiegen, der Regierungen das Fürchten lehrte.

Assange wurde zum Rockstar

Die Begeisterung von Medien und Menschen mit der stets richtigen Haltung überschlug sich. Im Laufe des Jahres 2010 wurde Assange zum Rockstar. Er gewann Preise für Journalisten, obwohl er keiner war, Le Monde und das Time Magazin ernannten ihn zur Person des Jahres, ein Verlag bot ihm für seine Autobiographie eineinhalb Millionen Euro, und die üblichen Prominenten, die Lenin, Marx und Mao für prächtige Kerle halte, Israel und die USA hassen und täglich den sozialistischen Einheitsstaat herbeisehnen, kamen aus dem Händeschütteln mit Assange gar nicht mehr heraus.

In all dem Trubel ging die Tatsache, wie denn Assange und Konsorten überhaupt zu ihrem Hort an geheimen Dokumenten gekommen waren, vollkommen unter. Irgendwann stellte sich heraus, daß Assange den ganzen Daten-Schatz von einer einzigen Person bekommen hatte, einem kleinen Feldwebel, der für die amerikanische Armee in Bagdad Computerdaten auswertete und unbegreiflicherweise Zugang zu den allergeheimsten Dokumenten hatte.

Dieser Analyst, ein einsamer, frustrierter, psychisch unstabiler Mensch namens Manning, der sich in seinem Körper als Mann nicht wohl fühlte und über einen Geschlechtswandel, den er später auch ausführen ließ, nachdachte, fühlte sich nicht ernstgenommen und hatte deshalb einen Haß auf Vorgesetzte, Militär und Politik entwickelt. Als Assange mit Manning, der für seine Dienste nie einen Cent gesehen hat, durch war, wurde Manning von einem anderen Hacker enttarnt und schließlich zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt.

Vom Weltstart zum Märtyrer

All der Jubel um Assange wäre vermutlich noch länger so weiter gegangen, hätten da nicht zwei Schwedinnen behauptet, Assange hätte sie vergewaltigt, was zu einer Anklage in Schweden führte, der sich Assange durch Flucht nach England entzog. Als Gefahr bestand, daß Großbritannien Assange an Schweden ausliefern würde, suchte dieser in der ecuadorianischen Botschaft in London um politisches Asyl an, das ihm vom damaligen Präsidenten des Landes, einem amerikafeindlichen Sozialisten im Fahrwasser von Hugo Chávez, gerne gewährt wurde.

Aus dem journalistischen Weltstar Assange wurde nun der – gemäß der Legende natürlich unschuldige – Märtyrer Assange, der sich in die wohnungsgroße Botschaft eines politischen Zwergenstaates flüchten mußte, um nicht an die USA ausgeliefert zu werden, wo ihm Schlimmes drohte.

Obwohl Assanges Wirkungskreis in der Botschaft Ecuadors nun auf ein Zimmer mit Kochnische und Klo beschränkt war, hinderte ihn das nicht daran, WikiLeaks per Internetanschluß fernzusteuern und weiter Millionen an Dokumenten zu veröffentlichen, an die er alle gegen jedes Recht und Gesetz gekommen war, was für ihn allerdings kein Hindernis, sondern Programm war.

2016 gelang ihm ein zweiter spektakulärer Coup, als WikiLeaks 20.000 Emails von hochrangigen Mitgliedern der Demokratischen Partei der Vereinigten Staaten veröffentlichte, die peinliche Interna über Hillary Clinton und ihre Berater enthüllten. Es ist heute ziemlich klar, daß die Quelle für E-Mails der Demokraten eine als Hackerkollektiv auftretende Einheit des russischen Militärgeheimdienstes G.R.U. war.

Assange war weder Journalist noch unerschrockener Aufklärer

Das war der Anfang vom Ende, auch wenn Assange das nicht klar war. Unterstützer auf der ganzen Welt zogen sich von Assange zurück, weil sie ihn für Hillary Clintons Wahlniederlage verantwortlich machten. Mitarbeiter und Gefolgsleute, die Assanges ätzende Persönlichkeit stets klaglos ertragen haben, als der obenauf war, finden plötzlich ihr Gewissen wieder und distanzieren sich von ihm.

Das Ende kommt, als 2017 in Ecuador Lenín Moreno zum Präsidenten gewählt wird, ein Politiker, der trotz seines schönen Vornamens mehr Realist als Sozialist ist und die Wiederannäherung an die USA sucht. Auf dem Weg dazu ist Assange der größte Stolperstein, den Moreno durch Geheimdiplomatie aus dem Weg zu räumen beschließt. Ein Plan, der aufgeht, als Ecuador Assange den Asylstatus entzieht, seine ecuadorianische Staatsbürgerschaft kassiert und schließlich die britische Polizei in die Botschaft einlädt.

Julian Assange, da braucht man sich gar nichts vorzumachen, ist am Ende – und WikiLeaks natürlich auch. Assange war weder ein Journalist noch ein unerschrockener Aufklärer, sondern ein egozentrischer Selbstdarsteller, dem jedes Mittel recht war, um an Geheimdokumente zu kommen. Und er hat sich nie darum geschert, was den Menschen, die von seinen Enthüllungen betroffen sind, passiert. Assange hat in mehreren Ländern Recht und Gesetz gebrochen und schwere Verbrechen begangen, weshalb seine Auslieferung an Schweden und die USA richtig und wünschenswert ist und er eine lange Haftstrafe verdient.

Julian Assange: Am Ende Foto: picture alliance / empics / JF-Montage
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