„Rechter Burschenschafter gibt Tipps für linke Aussteiger“, „NRW-Verfassungsschutz zeichnete fragwürdigen Preisträger aus“, so lauten einiger der Schlagzeilen überregionaler Medien, die sich mit einem scheinbar skandalösen Vorgang beschäftigen. Was war geschehen?
Bereits Mitte Dezember hatte der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul (CDU), Teilnehmer eines Wettbewerbs für eine Kampagne gegen Linksextremismus an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen ausgezeichnet. „Das war die Aufgabenstellung im Masterseminar ‘Sprache im Extremismus’ im Sommersemester“, sagt einer der Gewinner, der Student Hans-Ulrich Voß, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT.
Sein Plakatmotiv, für das er ausgezeichnet wurde, zeigt einen Vermummten vor brennenden Barrikaden. „Wir sind friedlich, was seid ihr?“, fragt der dazugehörige Slogan den Betrachter.
Daß er Mitglied der Burschenschaft Teutonia ist, sorgt mit einiger Verspätung für Rauschen im Blätterwald und empörte Reaktionen von Linken in den Sozialen Netzwerken. Voß läßt sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Man solle derlei nicht überbewerten. „Es geht in erster Linie nicht um mich, sondern gegen Herrn Reul“, äußert er gelassen. Der CDU-Innenminister stehe seit jeher von linken Interessengruppen unter Beschuß.
Burschenschaft ist kein Fall für Verfassungsschutz
Ein Blick in die Berichterstattung über Reul im Zusammenhang mit der Räumung der Protestcamps linksextremer Braunkohle-Gegner im Hambacher Forst unterstützt die Ansicht von Voß. Um die Auszeichnung des Verbindungsstudenten zu skandalisieren, verweisen Journalisten daher gern auf seine Korporation. So sei die Aachener Teutonia „bis vor Kurzem im umstrittenen Verband der Deutschen Burschenschaft organisiert“ gewesen, schreibt etwa die Rheinische Post.
Hinter dem „bis vor Kurzem“ verbergen sich jedoch bereits sieben Jahre. „Mein Bund ist 2012 aus der Deutschen Burschenschaft ausgetreten“, erläutert Voß. Überholte innere Strukturen und eine mangelnde Abgrenzung zum Rechtsextremismus seien der Grund für den Schritt gewesen, stellt die Teutonia auf ihrer Homepage klar. Mittlerweile gehört die Teutonia Aachen dem neugegründeten Verband der Allgemeinen Deutschen Burschenschaft an.
An d. @RWTH #Aachen hat @hreul die 3 besten Kampagnenentwürfe f. d. Aussteigerprogramm „left“ prämiert:„Die Idee, durch eine andere Brille auf das Problem #Linksextremismus zu schauen, hat sich gelohnt. Die Studenten haben innovative Konzepte entwickelt & diese kreativ umgesetzt“ pic.twitter.com/fxHuNhTQHm
— Innenministerium NRW (@IM_NRW) 19. Dezember 2018
Daß er nun in der Berichterstattung dennoch mit rechtsextremen Positionen in Verbindung gebracht wird, entbehre jeder Grundlage. Auf Anfrage der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag teilte das Innenministerium mit, die Burschenschaft werde nicht vom Verfassungsschutz überwacht. Zuvor hatte eine Ministeriumssprecherin auch schon gegenüber dem Magazin bento betont, das gleiche gelte auch für Voß.
Vom angeblichen Skandal bleibt nichts übrig
Der junge Mann kann auch von persönlichen Erlebnissen mit Linksextremen berichten. „Welcher Verbindungsstudent hat noch keine Erfahrungen mit linksextremer Gewalt gemacht?“ In seinem Fall sei es glücklicherweise bislang immer glimpflich verlaufen. Fälle von tätlichen Angriffen ereigneten sich jedoch immer wieder.
So bleibt bei genauerer Betrachtung nichts vom angeblichen Skandal, das Innenministerium lasse sich von vermeintlichen Rechtsextremen im Kampf gegen Linke unterstützen. Der Wettbewerb sei lediglich gedacht gewesen, dem Innenministerium „innovative Konzepte“ für das Aussteigerprogramm „Left“ (dt. „links“ und auch „verlassen“) zu liefern, hatte Reul bei der Verleihung betont.
Die Sorge linker Interessengruppen, die Siegerbeiträge würden vom Ministerium übernommen, seien ohnehin unbegründet. „Der Wettbewerb sah nie vor, daß die Entwürfe 1:1 umgesetzt werden, sondern das Innenministerium wollte sich in unserem und dem Parallelseminar Inspiration für eine mögliche Ausgestaltung der Kampagne holen“, stellt Voß klar.
Die Aufregung um den Wettbewerb und eine der ausgezeichneten Arbeiten offenbart weniger eine Verquickung des CDU-geführten Innenministeriums mit angeblich rechten Burschenschaften, als vielmehr linke Reflexe. Sind schon Aussteigerprogramme für Linksextreme per se ein Ärgernis für linke Kreise. So ist es für sie umso schlimmer, wenn ein Burschenschafter einen Beitrag dazu leisten könnte, Personen den Ausstieg aus der Szene zu ermöglichen.