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Kommentar zum Wahlsonntag: Heile Welt für einige Stunden

Kommentar zum Wahlsonntag: Heile Welt für einige Stunden

Kommentar zum Wahlsonntag: Heile Welt für einige Stunden

Alexander Van der Bellen
Alexander Van der Bellen
Alexander Van der Bellen: Österreichs neuer Präsident Foto: dpa
Kommentar zum Wahlsonntag
 

Heile Welt für einige Stunden

Für einige Stunden war die Welt in Ordnung. Alexander Van der Bellen hatte die Wahl zum österreichischen Bundespräsidenten gewonnen und den Trumps und Brexiteern die rote Linie gezeigt. Dann wurde das Ergebnis des italienischen Verfassungsreferendums bekannt: eine Enttäuschung. Ein Kommentar von Thomas Fasbender.
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Den Vogel hat diesmal Spiegel Online abgeschossen. Der Untertitel eines Kommentars zur Österreich-Wahl: „Das Land stoppt nach der ‘Brexit’-Entscheidung und dem Wahlsieg Donald Trumps den weltweiten Siegeszug der Rechtspopulisten.“ Klingt so der Stoßseufzer der vom Zeitgeist abgehängten Links- und Grünintellektuellen?

Die verängstigten Gutmenschen, das Wasser fast an der Unterlippe, orten den einen Strohhalm, der Halt verspricht: Tu, felix Austria, rette unsere heile Welt! Man kann den Wahlausgang auch anders interpretieren. Von 6,4 Millionen wahlberechtigten Österreichern haben fast 39 Prozent für Alexander van der Bellen gestimmt, der Rest (die große Mehrheit) hat entweder Norbert Hofer als Präsident gewollt oder hätte seine Präsidentschaft, das betrifft die 26 Prozent Nichtwähler, billigend in Kauf genommen. Also von wegen Österreich stoppt.

Geliefert hat Österreich gleichwohl, und zwar vom Feinsten. Nämlich den Stoff, aus dem die Träume sind. Der schöne Schein, auf den andere Länder sich nur in Lizenz verstehen. In den schönen Schein darf Österreich sich jetzt hüllen, hat das Land der Welt doch gezeigt, daß Europa viel besser ist als sein Ruf. Ach gäbe es die alpinen Lichtmenschen nicht! Die Gaue der Buntheit, Toleranz und Weltoffenheit.

Die Welt war kurz in Ordnung

Für einige Stunden am Sonntagabend war der Planet wieder in Ordnung. Österreich hatte den Trumps und Brexiteern die rote Linie gezeigt, in Italien wurde noch nicht ausgezählt. Alles bleibt, wie es ist. Alles wird gut. In dunkler Nacht schließlich das Erwachen: Die Italiener haben „No“ gesagt. Wozu eigentlich?

Eine Verfassungsreform, irgendwas mit den Befugnissen des Senats, der zweiten Kammer. Wo kann man da Gut und Böse festmachen? Licht- und Dunkelmenschen Gesichter geben? Wohl kaum. Für die Moralisten unter den Kolumnisten, die Werteritter und wackeren Streiter der Menschlichkeit stand rasch fest: Heute wird der Humanismus am Alpenkamm verteidigt und nicht südlich des Po. Ganz Europa falle ein Stein vom Herzen, meinte der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. Ganz Europa? Es ist das Problem des Kontinents, daß inzwischen jeder etwas Anderes darunter versteht.

Und das ist nicht das einzige Problem. Mit der schlichten Reduzierung aller Widersprüche auf Licht und Dunkel kommt die herrschende Klasse einer Lösung jedenfalls nicht näher. Oder glauben die wirklich, Europa werde vereint, bunt und friedlich sein, wenn nur erst alle alten, weißen Männer ohne Abitur unter der Erde sind?

Enttäuschung Verfassungsreferendum

Dann war das Italien-Referendum in der Tat eine Enttäuschung. Dort hat die Mehrheit der Jungen mit „No“ gestimmt. Dank dem Euro, der in Deutschland für einen Exportrekord nach dem nächsten sorgt, findet über ein Drittel der Schul- und Universitätsabgänger in den Südstaaten der EU keinen Arbeitsplatz. Das europäische Projekt hat ihren Volkswirtschaften die Wettbewerbsfähigkeit geraubt.

Fragt man Wolfgang Schäuble (CDU), sind die Länder zwar meist selbst daran schuld. Nur reichen die schwäbischen Hausfrauen nicht für den ganzen Kontinent. Weil Widersprüche mühsam sind und der schöne Schein an ihnen zerschellt, freuen wir uns derweil über die Steilvorlage aus der Alpenrepublik. Daß der Kaiser (Europa) verdammt nackt dasteht, spüren sie längst auch in den Korridoren der Macht.

Mit dem österreichischen Endsieg über den globalen Rechtstrend hat er wenigstens wieder ein lichtvolles Gesicht: Alexander van der Bellen. Wie formuliert man das ARD-gerecht zum Klang der schönen, blauen Donau: Der Mann hat Europa die Würde wiedergegeben.

Alexander Van der Bellen: Österreichs neuer Präsident Foto: dpa
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