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Buchlesung „Spion ohne Grenzen“: „Durch und durch kapitalistisch eingestellt.“

Buchlesung „Spion ohne Grenzen“: „Durch und durch kapitalistisch eingestellt.“

Buchlesung „Spion ohne Grenzen“: „Durch und durch kapitalistisch eingestellt.“

Sommer 1963: Doppelagent Heinz Felfe mit einem Aktendeckel vorm Gesicht auf dem Weg zu seinem Gerichtstermin. Sein Fall hatte das Grundvertrauen in den noch jungen BND nachhaltig beschädigt Foto:picture alliance / Fritz Fischer | Fritz Fischer
Sommer 1963: Doppelagent Heinz Felfe mit einem Aktendeckel vorm Gesicht auf dem Weg zu seinem Gerichtstermin. Sein Fall hatte das Grundvertrauen in den noch jungen BND nachhaltig beschädigt Foto:picture alliance / Fritz Fischer | Fritz Fischer
Sommer 1963: Doppelagent Heinz Felfe mit einem Aktendeckel vorm Gesicht auf dem Weg zu seinem Gerichtstermin. Sein Fall hatte das Grundvertrauen in den noch jungen BND nachhaltig beschädigt Foto:picture alliance / Fritz Fischer | Fritz Fischer
Buchlesung „Spion ohne Grenzen“
 

„Durch und durch kapitalistisch eingestellt.“

Der langjährige BND-Mitarbeiter und Historiker Dr. Bodo Hechelhammer seziert eines der spannendsten Spionage-Dramen aller Zeiten. Detailreich und mitreißend erzählt er die Geschichte des NS-Kriegsverbrechers Heinz Felfe, der nach dem Krieg als Doppelagent für den KGB den Westen ausspionierte, jahrelange Haft überstanden hatte und schließlich Karriere in der DDR machte.
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Goldenes HJ-Ehrenzeichen, Rotbannerorden, verdienter Mitarbeiter der Staatssicherheit, Acht Jahre Haft, Professor an der Humboldt-Universität, Anonyme Beisetzung: Dem 1918 in Dresden geborenen Heinz Felfe läßt sich viel vorwerfen, doch sicher nicht, er habe ein langweiliges Leben geführt. Dabei deutete zunächst wenig darauf hin, daß der junge Felfe einmal die Hauptrolle in einem der größten Spionageskandale aller Zeiten spielen sollte.

Als einziger Sohn eines Polizeibeamten und einer Hausfrau engagierte er sich in Jugendtagen zunächst in evangelischen Pfadfindervereinen, die sich in den 1920er Jahren großer Beliebtheit erfreuten. Schulisch fiel er weder durch herausragenden Fleiß, noch durch gottgegebene intellektuelle Begabung auf, weshalb er im Jahr 1934 die Oberrealschule verließ und eine Ausbildung zum Feinmechaniker antrat. Ganz Sohn seines Vaters und fasziniert vom Sturm und Drang der immer stärker werdenden Nationalsozialisten, war er bereits 1931 in den „Nationalsozialistischen Schülerbund“ eingetreten und hatte 1935 einen Ausbildungslehrgang als Freiwilliger im Polizeidienst absolviert.

Der Historiker und langjährige BND-Mitarbeiter Dr. Bodo Hechelhammer hat die Lebensgeschichte Felfes nach jahrelanger Recherche aufgeschrieben, jüngst in der „Gedenkbibliothek zu Ehren der Opfer des Kommunismus“ vorgestellt und einige Passagen aus seinem Buch „Heinz Felfe – Agent in sieben Geheimdiensten“ vorgelesen. Die Besucher hörten packende Anekdoten aus dem Leben Felfes. Angetrieben von Machthunger und dem Verlangen nach Geld und Respekt, durchlief dieser diverse SS-Dienstgrade und wurde 1940 schließlich als V-Mann des NS-Geheimdienstes „Sicherheitsdienst“ (SD) angeworben, 1944 wurde er Obersturmführer und wenige Monate später als stellvertretender Dienststellenleiter des SD in die besetzten Niederlande entsandt. Noch am 8. März 1945 nahm er mutmaßlich an der Erschießung von über 200 Gefangenen teil. Erst am 31. Mai 1945, mehr als drei Wochen nach der Kapitulation der Wehrmacht, ergab sich Felfe den kanadischen Alliierten und kam in Kriegsgefangenschaft.

Vom Überzeugungstäter zum Opportunisten

Biograph Hechelhammer, der im Anschluß der Lesung die Fragen des Publikums ausführlich beantwortete, vermutet genau hier einen Wendepunkt. Als glühender Nazi erlebte Felfe als junger Mann den völligen Zusammenbruch dieses Systems. Er stand vor dem beruflichen Nichts, schlimmer noch, er war in Gefangenschaft vollständig dem Willen des Feindes ausgeliefert. Vermutlich war das der Zeitpunkt, an dem er vom Überzeugungstäter zum gnadenlosen Opportunisten wurde. Nachdem er im November 1945 den Briten als Gefangener übergeben wurde, kooperierte er bei Befragungen vollumfänglich, lieferte langjährige Kameraden ans Messer. Im Gegenzug bescheinigten ihm die Briten, kein Kriegsverbrecher und für die neue deutsche Polizei gut geeignet zu sein, wohl auch, weil er sich fälschlicherweise als Oberleutnant, statt als SS-Obersturmführer ausgegeben hatte.

Da er aus Sicherheitsgründen nicht in seine von den Sowjets besetzte Dresdener Heimat zurückkehren konnte, ließ er sich nach dem Krieg in Münster nieder. Doch auch dort wollten die Behörden ihn nicht im Polizeidienst und der in dieser Zeit mit finanziellen Problemen geplagte Felfe bot sich dem britischen Geheimdienst „mi6“ mit Erfolg als Mitarbeiter an. Von 1947 bis 1950 arbeitete er als Spion mit dem Auftrag, die kommunistische Szene in Bonn auszukundschaften. Als agent provocateur gründete er bolschewistische Organisationen, über deren Mitglieder er seinem Arbeitgeber regelmäßig Bericht erstattete.

Doch auch die Briten zweifelten an seiner Loyalität und entließen ihn nach drei Jahren. Durch Vermittlung eines alten Freundes erhielt er 1950 Kontakt zum KGB und heuerte dort ein Jahr später an. Zugleich begann er seine Arbeit bei der „Organisation Gehlen“, dem Vorgänger des BND und war zehn Jahre lang Doppelagent. Er verriet unzählige Agenten und Manöver nach Moskau, bevor er 1961 enttarnt und verhaftet wurde.

Trotz Privilegien: Felfe war unzufrieden mit der DDR

Zu zehn Jahren Haft verurteilt, kam er aufgrund eines Gefangenenaustauschs frei und lebte ab 1969 in der DDR. Im „Arbeiter- und Bauernstaat“ erhielt Felfe diverse Auszeichnungen, finanzielle Zuwendungen und eine Gefälligkeitsprofessur von der Berliner Humboldt-Universität, wo er über Kriminalistik dozierte. Obwohl er als Held des DDR-Systems diverse Vorzüge genoß, äußerte er in privaten und halb-privaten Gesprächen immer wieder seine Unzufriedenheit mit dem Realsozialismus.

Am Westen bewunderte er die Reisefreiheit und die Verfügbarkeit verschiedenster Konsumgüter. Er starb 2008 in seiner Villa in Berlin-Weißensee im Schlaf an Herzversagen. Die Beisetzung seiner Urne fand am 19. Juni 2008 anonym auf einem benachbarten Friedhof statt. An der Beisetzung nahmen ehemalige Stasi-Mitarbeiter und Vertreter der russischen Botschaft in Berlin teil. Der Historiker und Felfe-Kenner Hechelhammer beschrieb seinen Charakter während der Lesung äußerst prägnant: „Er hat zwar für Moskau gearbeitet, war aber durch und durch kapitalistisch eingestellt.“

Sommer 1963: Doppelagent Heinz Felfe mit einem Aktendeckel vorm Gesicht auf dem Weg zu seinem Gerichtstermin. Sein Fall hatte das Grundvertrauen in den noch jungen BND nachhaltig beschädigt Foto:picture alliance / Fritz Fischer | Fritz Fischer
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