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Gedenken an deutsche Opfer: Die Toten von Oksbøl

Gedenken an deutsche Opfer: Die Toten von Oksbøl

Gedenken an deutsche Opfer: Die Toten von Oksbøl

Gedenktafel auf dem Friedhof im dänischen Oksbol Foto: Weißmann
Gedenktafel auf dem Friedhof im dänischen Oksbol Foto: Weißmann
Gedenktafel auf dem Friedhof im dänischen Oksbol Foto: Weißmann
Gedenken an deutsche Opfer
 

Die Toten von Oksbøl

Der kleine dänische Ort Oksbøl steht für eine dunkle Seite der deutsch-dänischen Vergangenheit. Dort liegen auf einem Soldaten- und Flüchtlingsfriedhof neben 121 Wehrmachtsangehörigen auch 1.675 Zivilisten begraben. Die Hintergründe, warum nach der Kapitulation 1945 Tausende Deutsche in Dänemark starben, werden noch immer verdrängt.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Wenn der deutsche Urlauber an der Nordseeküste Dänemarks entlangfährt, um eines der beliebten Ferienziele – etwa Blåvand – zu erreichen, wird er dem kleinen Ort Oksbøl kaum Aufmerksamkeit schenken. Es handelt sich um ein Städtchen wie viele in Jütland, eine schöne Kirche im Zentrum, die Straßen schnurgerade, alles sauber und aufgeräumt.

Aber der Name Oksbøl steht auch für eine dunkle Seite der deutsch-dänischen Vergangenheit. Hinweise zu finden, ist allerdings nicht ganz einfach. Denn fast versteckt in einem Waldstück liegt der Flüchtlings- und Soldatenfriedhof Oksbøl. Es gibt kein Hinweisschild, dem man folgen kann. Was vielleicht auf Desinteresse zurückzuführen ist, aber eher auf Verdrängung.

Denn hier liegen neben 121 Wehrmachtsangehörigen auch 1.675 Zivilisten bestattet, von denen die meisten in einem nahegelegenen dänischen Internierungslager ums Leben gekommen sind. Wie man den Daten auf den Grabsteinen unschwer entnehmen kann, handelte es sich in der Mehrzahl der Fälle um Alte, Frauen und Kinder, davon viele nur wenige Wochen oder Monate alt.

Zweifel an der Gedenkdeutung sind unerwünscht

Folgt man der Darstellung in einer schäbigen kleinen Ausstellung am Rande des Friedhofs, waren sie Opfer tragischer Umstände, ausgelöst durch den Krieg, den Deutschland zu verantworten hatte, und die Entscheidung der Marineführung, Menschen, die vor der anrückenden Sowjetarmee aus den Ostgebieten und dem Baltikum flüchteten, nicht mehr nur ins Reich, sondern auch nach Dänemark zu bringen. Insgesamt handelte es sich um etwa 250.000 Personen. Nach der Kapitulation der Wehrmacht konnten sie nicht über die Grenze abgeschoben werden, weil die Alliierten die Aufnahme verweigerten.

Auf dem Friedhof liegen neben Soldaten auch viele deutsche Kinder Foto: Weißmann
Auf dem Friedhof liegen neben Soldaten auch viele deutsche Kinder Foto: Weißmann

Die dänischen Behörden beschlossen deshalb die Errichtung von Lagern. Anfangs handelte es sich um etwa 100, später nur noch um 36; die wichtigsten lagen bei Kopenhagen, Grove, Aalborg und Oksbøl. Das letztgenannte war das größte und mußte bis zu 36.000 Internierte aufnehmen.

Über deren Lebensumstände erfährt man auf den Informationstafeln wenig. Was vor allem dem Wunsch entspricht, an der Generaldeutung – „Schwere Zeiten gemeinsam gemeistert“ – keine Zweifel aufkommen zu lassen. Zuletzt haben noch 1995, zum 50. Jahrestag des Kriegsendes, deutsche und dänische Jugendliche einen Gingko-Baum als Zeichen des Friedens gepflanzt. Davor wurde eine Bronzeplatte in die Erde eingelassen, deren Inschrift mit dem Satz beginnt „Wachsen im Frieden gegen das Vergessen“ und mit dem Satz endet: „Deutsche danken Dänemark“.

„Größte humanitäre Katastrophe der dänischen Geschichte“

Zehn Jahre Zeit später wurde die dahinterstehende Sicht der Dinge nachhaltig in Frage gestellt. Denn im Zuge ihrer Recherchen für eine Dissertation stieß die dänische Ärztin und Historikerin Kirsten Lylloff auf eine Reihe schockierender Fakten, die nicht länger erlaubten, die hohe Zahl der Toten unter den Flüchtlingen (doppelt so hoch wie die Gesamtzahl der während des Krieges, auch in Kampfhandlungen, getöteten Dänen) mit Erschöpfung oder der schlechten Versorgungslage als solcher zu erklären. Denn allein im Jahr 1945 starben in den Lagern etwa 13.500 Menschen, davon siebentausend Kinder; ein Drittel der unter Sechsjährigen kam ums Leben und praktisch jeder Säugling. Hauptursachen waren Mangelernährung und Infektionen.

Kirsten Lylloff sprach von der „größten humanitären Katastrophe in der dänischen Geschichte“, die vor allem mit dem Haß der Dänen auf alles Deutsche, dem Bedürfnis, die eigene Kollaborationsbereitschaft vergessen zu machen, Ignoranz der Behörden, dem Fraternisierungsverbot und dem Beschluß des dänischen Ärzteverbandes zu tun hatte, seine Mitglieder anzuweisen, den Deutschen medizinische Hilfe zu verweigern, auch Kindern, die in Lebensgefahr schwebten und in ein Krankenhaus hätten eingeliefert werden müssen. Die Veröffentlichung ihres Buches Barn eller fjende? fand auch in Deutschland Interesse, obwohl es keine Übersetzung gab (und bis heute gibt).

Blick auf das Gräberfeld in Oksbol Foto: Weißmann
Blick auf das Gräberfeld in Oksbol Foto: Weißmann

Die Hauptursache war die Empörung und die heftige Kontoverse, die die Publikation in Dänemark ausgelöst hatte. Obwohl die Argumente Kirsten Lylloffs nicht widerlegt werden konnten und der Hinweis auf die allmählich milder werdende Behandlung der Internierten kaum als Rechtfertigung in Betracht kam, wirkte das dänische Selbstbild des stets schuldlosen Opfers deutscher Aggression so stark nach, daß keine echte Korrektur der Darstellung der historischen Abläufe folgte.

Mit Widerstand ist kaum zu rechnen

Erst wurde 2011 der Plan gefaßt, in Oksbøl ein Museum zu errichten, das sich dem Schicksal der Flüchtlinge widmen sollte. Die Umsetzung des Plans verlief aber ausgesprochen schleppend, und selbst die endlich für diesen Sommer vorgesehene Eröffnung mußte noch um ein weiteres Jahr verschoben werden. Immerhin kann man auf der Netzseite des FLUGT – Refugee Museum of Denmark einen Eindruck des Gebäudes gewinnen, das ganz den Geist skandinavischer Eleganz atmet. Folgt man dem Vorstellungstext, wird es in der Ausstellung allerdings nicht um die Vorgänge der Jahre 1945 bis 1947 und die dänische Verantwortung gehen, sondern um den Flüchtling im Allgemeinen, nicht zuletzt dem der Gegenwart, und darum, daß der Besucher „erfährt, was es bedeutet, Flüchtling zu sein“.

Worauf diese Art der Einebnung des historischen Geschehens und der konkreten Erinnerung hinausläuft, liegt auf der Hand. Aber mit Widerstand ist kaum zu rechnen. In Dänemark gewiß nicht, aber auch nicht in Deutschland, etwa in der Führungsetage des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der den Friedhof in Oksbøl betreut. Eine Prognose, die zu treffen, kein Risiko birgt. Denn in diesem Land gilt „Gegen das Vergessen“ für jeden Menschen jeder Zeit, aber nicht und unter keinen Umständen für die Opfer des eigenen Volkes.

Gedenktafel auf dem Friedhof im dänischen Oksbol Foto: Weißmann
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