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Nachkriegsrechte – Teil 8: Der politische Raum wird neu geordnet – Aufstieg der AfD

Nachkriegsrechte – Teil 8: Der politische Raum wird neu geordnet – Aufstieg der AfD

Nachkriegsrechte – Teil 8: Der politische Raum wird neu geordnet – Aufstieg der AfD

Die ersten AfD-Parteisprecher: Konrad Adam (l.), Frauke Petry und Bernd Lucke (r.) beim Parteitag 2013 Foto: picture alliance / REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Die ersten AfD-Parteisprecher: Konrad Adam (l.), Frauke Petry und Bernd Lucke (r.) beim Parteitag 2013 Foto: picture alliance / REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Die ersten AfD-Parteisprecher: Konrad Adam (l.), Frauke Petry und Bernd Lucke (r.) beim Parteitag 2013 Foto: picture alliance / REUTERS | FABRIZIO BENSCH
Nachkriegsrechte – Teil 8
 

Der politische Raum wird neu geordnet – Aufstieg der AfD

Seit der Wiedervereinigung floriert der „Kampf gegen Rechts“. Dennoch konnte sich in Deutschland in den vergangenen Jahren mit der AfD eine Partei rechts der CDU etablieren. Sie zeigt auch, daß sogenannte Populisten erfolgreich sein können. Zugleich deutet sich ein „postliberales“ Zeitalter an.
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Seit den 1990er Jahren läßt der „Kampf gegen Rechts“ eine ganze Branche florieren. Vom Lehrstuhl der Universität bis zur „rechtsfreien“ Schule, von der Bundeszentrale für politische Bildung bis zum Blockwart der Antifa, von der privaten Sendeanstalt bis zur Kirchengemeinde, ist ein Netzwerk entstanden, das jeden Winkel der „Zivilgesellschaft“ erreicht. Da wird Material gegen Verdächtige gesammelt und aufgeklärt, gemahnt, gewarnt, trainiert und umerzogen. Es gibt Spielfilme, Dokumentationen und YouTube-Streifen. Vor allem aber werden Texte produziert. Arbeiten über die Rechte füllen Bibliotheken. Zahllose Artikel, Aufsätze, Sammelbände und Monographien sind erschienen, Presse- und Onlinetexte nicht mitgerechnet.

Was an ihnen auffällt, ist die Monotonie. Man bekommt immer dasselbe zu lesen, und dasselbe ist nicht nur langweilig, sondern auch unsachlich. Das heißt, es geht eigentlich nie um Erkenntnis, immer nur um Bestätigungstendenz. Denn das Ergebnis des Prozesses steht von vornherein fest: das, was „rechts“ ist, sollte eigentlich nicht sein, das Rechte und der Rechte und die Rechte haben keinen Grund, jedenfalls keinen guten.

Oft reicht das Reizwort „Faschismus“

Die geringe Variationsbreite dessen, was im „Kampf gegen Rechts“ vorgetragen wird, erlaubt die Reduktion auf zwei Argumentationsmuster:

  1. Die Kontinuitätstheorie, die besagt, daß es keine „neue“ Rechte geben kann, da die Rechte immer die „alte“ ist. Ohne Scheu legt man jahrzehntealte Publikationen (zuletzt Adorno, Eco, Orwell) wieder auf und behauptet, daß sie für die Gegenwart Aufschlüsse bieten, da der Rechten sowieso nichts einfällt, sie nur Ideen recycelt, die seit je zu ihrem Repertoire gehören. Die sind bestenfalls verstaubt, in der Regel aber gefährlich, da sie auf „antidemokratisches“, „antiwestliches“, „antipluralistisches“ etc. Gedankengut zurückgreifen. In der anspruchsvolleren Variante arbeitet man mit dem Verweis auf den fruchtbaren Schoß der Konservativen Revolution, in der platten genügt das Reizwort „Faschismus“.
  2. Die Unerheblichkeitstheorie, die besagt, daß die Rechte aus Modernisierungsverlierern besteht: Es handelt sich um geistig beschränkte, mittelalte oder alte (weiße) Männer und anderweitig Frustrierte, die um ihren sozialen Status fürchten und deshalb gegen Fremde, die Emanzipation der Frau und die Eine Welt wettern. Ihre Formierungsversuche – die „Zwerge von rechts“ (Claus Leggewie) – sind langfristig ohne Chance, aber kurzfristig durchaus in der Lage, den gesetzmäßigen Gang des Fortschritts zu stören.

Wiedervereinigung konservierte Parteien

Da die politisch-mediale Klasse geschlossen hinter dem „Kampf gegen Rechts“ steht, werden diese Deutungen normalerweise nicht in Frage gestellt. Das galt jedenfalls bis zum Auftreten einer Strömung, die etwas verlegen als „populistisch“ bezeichnet wurde. Seit dem Ende des vergangenen Jahrhunderts haben vermehrt ad hoc gebildete Bewegungen, die von Abtrünnigen oder Neueinsteigern gebildet wurden, erstaunliche Erfolge erzielt. Das jedenfalls, wenn es ihnen gelang, ein konkretes Problem zu thematisieren, dessen Vorhandensein von den Etablierten geleugnet oder übergangen wurde.

Die politische Zuordnung erschwerte, daß Populismen ursprünglich gegen Steuerlast und überbordenden Wohlfahrtsstaat protestierten. Nach einiger Zeit traten auch linke Populismen auf, die vom Zerfall der klassischen Sozialdemokratie und des klassischen Kommunismus profitierten. Die größte Anziehungskraft entwickelten allerdings rechte Populismen, die einen „defensiven Nationalismus“ (Ernst Nolte) mit der Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit und scharfer Kritik am „großen Austausch“, dem Vordringen des Islam und dem Anwachsen der Kriminalität verknüpften.

Nigel Farage und seine UKIP gelten als Vertreter eines neuen Populismus Foto: picture alliance / empics | Anthony Devlin
Nigel Farage und seine UKIP gelten als Vertreter eines neuen Populismus Foto: picture alliance / empics | Anthony Devlin

Der Erfolg des Front National in Frankreich, der Lega in Italien, der Dänischen Volkspartei, der UKIP in Großbritannien und der Schwedendemokraten war aber auch damit zu erklären, daß sie in Ländern entstanden, deren älteres Parteienspektrum in Zersetzung begriffen war. Anders in Deutschland. Hier hat die Wiedervereinigung dazu geführt, das in der Nachkriegszeit entstandene Angebot über sein Verfallsdatum hinaus zu konservieren.

Bruchlinien in der AfD wurden sichtbar

Das Scheitern der Republikaner kann als Beleg für die Richtigkeit dieser These betrachtet werden. Aber größeres Gewicht kommt der Tatsache zu, daß in der Berliner Republik nicht einmal die über zwanzig Jahre fortschreitende Auszehrung der Union zur Entstehung eines Rechtspopulismus geführt hat. Die „Ära Merkel“ glich insofern der „Ära Kohl“, als CDU und CSU „alternativlos“ erschienen.

Das galt jedenfalls bis zum Auftreten der Alternative für Deutschland (AfD). Hatten die Republikaner ihren Ursprung in der Dissidenz einzelner CSU-Mitglieder, dann verdankte die AfD ihre Geburt dem Entschluß von CDU-Mitgliedern, sich von einer Partei loszusagen, deren „Sozialdemokratisierung“ so wenig aufzuhalten war wie die Neigung, der links-grün-feministischen „Regenbogenideologie“ hinterherzulaufen. Am 6. Februar 2013 gegründet, gelang es der Alternative, ihren Protest gegen die Euro-Rettungspolitik der Regierung erstaunlich rasch zur Geltung zu bringen und den Sprung in ein überregionales Parlament zu schaffen: Schon bei der Europawahl 2014 erzielte sie 7,1 Prozent der Stimmen. Kurz darauf zog sie mit wesentlich stärkeren Stimmenanteilen in die Landtage Thüringens, Sachsens und Brandenburgs ein.

Das Tempo der Entwicklung hatte für die AfD anfangs den Vorteil, unterschätzt und übersehen zu werden. Das änderte sich aber bald und führte zur Entstehung von Volksfrontbündnissen auf allen Ebenen, die im Zweifel von der Union bis zum Schwarzen Block reichten. Parallel zum wachsenden Druck wurde eine Bruchlinie innerhalb der Partei sichtbar, die nicht nur zwischen West und Ost verlief, sondern auch zwischen zwei Lagern, von denen das eine die AfD als bürgerliche Sammlung eher moderaten Zuschnitts verstand, während das andere in ihr den Kern einer sehr breiten sozialpatriotischen Bewegung sah, die wesentlich konfrontativer gegen die „Altparteien“ vorgehen wollte.

Der AfD gelang ein historischer Erfolg

Der AfD-Bundesvorsitzende Bernd Lucke gehörte ohne Zweifel zu erstgenannten, mußte aber erkennen, daß sich die Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei schnell zu Gunsten der letztgenannten verschoben. Umzusteuern gelang ihm nicht. 2015 verließ Lucke mit einer ganzen Reihe prominenter Mitglieder der ersten Stunde die Partei. Seine Nachfolge trat Frauke Petry an, die wesentlich geschickter die divergierenden Tendenzen zusammenzuhalten schien. Aber auch sie scheiterte nach weniger als zwei Jahren. Viele Kommentatoren sahen in dieser Art Personalverschleiß schon ein Symptom dafür, daß die Partei ein ähnliches Schicksal wie viele ihre Vorgängerinnen auf der politischen Rechten erleiden werde.

Aber die Zeitumstände hatten sich im Gefolge der Grenzöffnung und unkontrollierten Masseneinwanderung von 2015 so dramatisch verändert, daß der AfD bei der Bundestagswahl 2017 etwas gelang, was seit Gründung der Bundesrepublik keiner anderen Partei rechts der Mitte gelungen war: sie zog in den Bundestag ein und stellte mit 12,6 Prozent der Stimmen die stärkste Oppositionspartei.

Dieses Ergebnis war schon deshalb bemerkenswert, weil die Partei keineswegs als befriedet gelten konnte und die internen Konflikte weiterschwelten, vor allem aber, weil die Massivität, in der die AfD von staatlicher wie nichtstaatlicher Seite bekämpft wurde, ohne Beispiel ist. Die Tatsache, daß sie ihren Wählerstamm trotzdem halten konnte, hat ganz wesentlich mit der veränderten Zeitsituation zu tun.

Gemeint ist damit, was der amerikanische Politikwissenschaftler Patrick J. Deneen das „Systemversagen“ des Liberalismus nennt. Er versteht darunter, daß die in den letzten Jahrzehnten durchgesetzte Hegemonie einer Weltanschauung, die mehr Freiheit und mehr Gleichheit, mehr Chancen auf individuelles Glück und mehr Aussicht auf kulturelle Entfaltung versprach, zum Entstehen einer Welt geführt hat, die wie die Karikatur des liberalen Utopia erscheint. Wahrscheinlich gab es zu keinem Zeitpunkt des Nachkriegs weniger Meinungs-, Meinungsäußerungs-, Forschungs- und Pressefreiheit als in der Gegenwart.

Intellektuelle zerstören eigene Hochkultur

Die Menschen sind nicht nur an rigide Sprachregime, sondern auch an umfassende Kontrollen ihres Privatlebens gewöhnt worden. Damit verknüpft ist ein Egalitarismus, dessen zentrales Dogma zwar lautet, daß „alle Menschen gleich sind“, der aber zahllose privilegierte Stände, Religionen und Rassen kennt. Die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit wird von staatlichen Instanzen wie Privatpersonen festgelegt, die immer „etwas gleicher sind“, aber teilweise auch über gigantische Ressourcen verfügen, die es ihnen erlauben, global in das politische Geschehen einzugreifen.

In diesem Zusammenhang spricht Deneen von einer „neuen Aristokratie“. Er hat den Begriff gewählt, um die Geschlossenheit und Intransparenz dieser Führungsgruppe zu charakterisieren. Allerdings ist sie weit davon entfernt, eine „Herrschaft der Besten“ zu sein, was das zu Grunde liegende griechische Wort eigentlich bedeutet. Vielmehr hat man es mit einer Kaste zu tun, deren humanitaristischer Jargon kaum verdecken kann, daß sie Entfremdung und Nivellierung als Mittel zu umfassender Kontrolle und Manipulation versteht.

Was den ersten Aspekt betrifft, kommt der vor allem in der forcierten Zersetzung aller organischen Gemeinschaftsformen zur Geltung, die mit der Verlagerung der Industrien und der Verdrängung einheimischer Arbeitskräfte durch – billigere – fremde zu tun hat. Aber eine Rolle spielt auch die Sabotage der westlichen – europäischen, „weißen“ – Identitäten durch den Verrat der Intellektuellen, die eine perverse Lust daran empfinden, die gesamte Überlieferung unserer Hochkultur zu zerstören und trotz ihrer „kritischen“ Attitüde nichts anderes sind, als Handlanger von Kapitalinteressen und Liebediener dessen, was Deneen den „parasitären Liberalismus“ nennt.

Neue Parteien werden kommen

Der breitet sich aus, indem er nivelliert und vulgarisiert und „die Räume von ehedem lokalen Kulturen und Traditionen besetzt, wodurch diese unterdrückt werden oder, häufiger, eine inhaltsleere Neudefinition erfahren. Anstatt unsere eigenen Kulturen hervorzubringen, die lokal verankert und in der Zeit eingebettet sind und auf dem Erbe unserer Verwandten, unserer Nachbarn und der Gemeinschaft weiterentwickelt werden – Musik, Kunst, das Geschichtenerzählen und gemeinsame Mahlzeiten – werden wir vermutlich eher vorverpackte, marktgeprüfte Massenwaren konsumieren, deren symbolträchtige Etiketten die Ausweidung der Kultur verdecken.“

Deneen geht allerdings davon aus, daß der Liberalismus seine „Hegemonie“ verliere. Für diese Annahme spricht der Verfall der inneren wie der äußeren Sicherheit. Wichtiger als das ist aber, daß der Sieg des Liberalismus seine Schwäche bei der Elitenrekrutierung und seine inneren Widersprüche offen hervortreten läßt. Es wurde deshalb vorgeschlagen, die Populisten als „antiliberale Demokraten“ (Fareed Zakaria) zu bezeichnen. Allerdings legt der Terminus die Vorstellung nahe, daß es sich um reine Gegenbewegungen handelt.

Davon kann keine Rede sein. Denn es geht ihnen gerade nicht darum, Rechtsstaat und persönliche Freiheit, die grundsätzliche Funktion des Marktes und den Segen des Leistungsprinzips in Frage zu stellen. Allerdings reagieren sie auf die Prozesse der Übertreibung und Entgrenzung, deren destruktiven Charakter man vielleicht nicht auf theoretischer Ebene, aber instinktiv erfaßt. Was das für das kommende – „postliberale“ – Zeitalter bedeutet, bleibt schwer abschätzbar. Nur so viel steht fest: der politische Raum wird neu geordnet, die Begriffe „Links“, „Mitte“, „Rechts“ werden nicht verschwinden, aber sie werden mit neuer Bedeutung geladen, und es werden sich neue Parteien etablieren, deren Führung das begriffen hat.

            > Der Beitrag ist Teil einer Serie des Autors über die deutsche Nachkriegsrechte. Dies ist der letzte Teil. 

Bisher erschienen:

Teil 1: Vor 75 Jahren wurde die Deutsche Konservative Partei – Deutsche Reichspartei gegründet
Teil 2: „Gegen die rote Flut“ – Der Bürgerblock
Teil 3: Kein Viertes Reich – Die Sozialistische Reichspartei
Teil 4: Wiedervereinigung durch Blockfreiheit – Die Nationalneutralisten
Teil 5: Der Kern der Nationalen Opposition – Die Deutsche Reichspartei
Teil 6: Die Union paßt sich an, die NPD betritt die Bühne
Teil 7: „Freiheit statt Sozialismus“ – Keine Alternative zur Union nach dem „Machtwechsel“

Die ersten AfD-Parteisprecher: Konrad Adam (l.), Frauke Petry und Bernd Lucke (r.) beim Parteitag 2013 Foto: picture alliance / REUTERS | FABRIZIO BENSCH
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