Anzeige
Anzeige

Die Rechte in der Bundesrepublik: Deutsche Reichspartei: Kein Zurück in die Vergangenheit

Die Rechte in der Bundesrepublik: Deutsche Reichspartei: Kein Zurück in die Vergangenheit

Die Rechte in der Bundesrepublik: Deutsche Reichspartei: Kein Zurück in die Vergangenheit

Deutsche Reichspartei
Deutsche Reichspartei
Versammlung der Deutschen Reichspartei Foto: Aus dem Archiv des Autors
Die Rechte in der Bundesrepublik
 

Deutsche Reichspartei: Kein Zurück in die Vergangenheit

Die Deutsche Reichspartei ist nur noch wenigen bekannt. In der Anfangsphase der Bundesrepublik stellte sie den Versuch dar, auf der politischen Rechten einen Gegenentwurf zur „schwarz-rot-goldenen Koalitionen“ des sogenannten Bürgerblocks um die CDU zu bilden. Erfolg war ihr jedoch nicht beschieden.
Anzeige

Auf einer Zusammenkunft in Kassel wurde vor siebzig Jahren, am 21. Januar 1950, die Deutsche Reichspartei (DRP) gegründet. Wegen ihrer notorischen Erfolglosigkeit erscheint sie heute nur noch in Nachschlagewerken oder als Fußnote zur Geschichte der Bundesrepublik. Die Erfolglosigkeit der DRP war allerdings nicht einfach schicksalhaft, sondern teils fremd-, teils selbstverschuldet.

Was das Fremdverschulden angeht, muß zuerst auf die erschwerenden Umstände bei der Reorganisation der politischen Rechten nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs hingewiesen werden. Grundsätzlich war immer mit dem Mißtrauen und dem Übelwollen der Besatzungsmächte zu rechnen. Einen gewissen Sinn für Fair Play bewahrten sich immerhin die Briten, die in ihrer Zone gleich mehrere Gruppen rechts der Mitte lizensierten, von denen die Deutsche Partei (DP) und die Freie Demokratische Partei (FDP) beziehungsweise deren Vorläufer die stärksten waren. Allerdings blieb die DP der antipreußischen, welfischen Tradition verhaftet, während die FDP zwischen verschiedenen Ansätzen schwankte. Die reichten von ausgesprochen sozialliberalen bis zu ausgesprochen nationalistischen Vorstellungen. Immerhin zeichnete sich rasch ab, daß DP wie FDP zum „Bürgerblock“ gehörten, den die CDU dominierte.

 Die Anhängerschaft war bunt gemischt

Die Rechte sprach von einer „schwarz-rot-goldenen Koalition“, der sie ganz bewußt mit den alten Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot entgegentrat. Das tat zuerst die Deutsche Konservative Partei (DKP), ab 1946 Deutsche Rechtspartei – Konservative Vereinigung (DRP* – KV), ab 1949 Deutsche Konservative Partei – Deutsche Rechtspartei (DKP – DRP*), die ausdrücklich an die Linie von Deutschnationalen und Nationalliberalen anknüpfen wollte, aber auch konkrete Zielgruppen in der Wählerschaft wie Vertriebene, ehemalige Berufssoldaten und wirkliche oder vermeintliche Opfer der Entnazifizierungspraxis umwarb.

(In den 1950er Jahren gab es einen heftigen Konflikt um die Nutzung des Kürzels „DRP“, das nacheinander von der Deutschen Rechtpartei, dann von der Deutschen Reichspartei verwendet wurde. Daher wird hier die Deutsche Rechtspartei mit dem Sternchen gekennzeichnet.)

Wahlwerbung der Deutschen Konservativen Partei, einer Vorläuferorganisation der späteren DRP Foto: Aus dem Archiv des Autors

Entsprechend buntscheckig war die Klientel. Es gab Christlich-Konservative genauso wie Monarchisten und mehr oder weniger zahme Völkische in ihren Reihen. Hinzu kam noch ein gewisser Anteil derer, die eigentlich eine Wiedergründung der NSDAP anstrebten, aber in den „Katakomben“ (Kurt P. Tauber) ausharren wollte, bis für sie bessere Zeiten kämen.

Ehemalige NS-Funktionäre sammelten sich in der Sozialistischen Reichspartei

Was diese Fraktion von allen anderen im Lager der „Nationalen Opposition“ unterschied, war die Eindeutigkeit ihrer Ausrichtung. Verglichen damit taten sich die übrigen schwer. Punktuelle Erfolge, vor allem in Niedersachsen (Göttingen, Wolfsburg), schienen für eine Art Harzburger-Front-Strategie zu sprechen, aber es wurde doch rasch deutlich, daß die Situation nach 1945 eine ganz andere war als die nach 1918. Die notwendige Kurskorrektur erschwerten aber nicht nur persönliche Querelen, sondern auch ein latenter Generationenkonflikt zwischen Veteranen von DNVP, DVP und Stahlhelm auf der einen, und den Jüngeren aus den „Frontjahrgängen“ auf der anderen Seite. Immerhin gelang es der DKP-DRP* nach der ersten Bundestagswahl fünf Abgeordnete in den Bundestag zu schicken; dort bildeten sie 1949 zusammen mit einem Vertreter der in Hessen aktiven Nationaldemokratischen Partei (NDP) die Gruppe „Nationale Rechte“ (NR).

Zu den Mandatsträgern der NR gehörte mit Fritz Dorls allerdings auch ein Funktionär, der die DKP-DRP* nur als Vehikel nutzen wollte, um aus ihr die Keimzelle einer neonationalsozialistischen Partei zu machen. Nachdem dieser Übernahmeversuch von den Gemäßigten mühsam zurückgewiesen worden war, verließ Dorls mit seinen Anhängern die DKP-DRP* und gründete am 2. Oktober 1949 die Sozialistische Reichspartei (SRP). Die SRP mußte zwar im Hinblick auf ihr Programm, aber nicht im Hinblick auf ihre Agitation eine gewisse Zurückhaltung wahren. Sie rekrutierte ihre Führung bewußt aus der zweiten Garde der NS-Funktionäre, warb um „Ehemalige“ wie um „Unverbesserliche“ und griff mehr oder weniger offen auf alte Parolen zurück.

Die DKP-DRP* verlor einen Teil ihrer Mitglieder und ihrer Wählerschaft an die SRP. Allerdings änderte sich die Lage, nachdem die Deutsche Reichspartei ihre Nachfolge angetreten hatte und die SRP 1952 als verfassungsfeindliche Partei verboten wurde. Die DRP suchte jetzt möglichst viele SRP-Anhänger zu binden, richtete ihr Programm auch auf „von irgendwelchem Groll erfüllte Elemente“ (Frankfurter Allgemeine Zeitung) aus, zitierte da und dort Stilelemente der NS-Jahre und präsentierte Männer wie das „Stuka-As“ Hans-Ulrich Rudel oder den Schriftsteller Hans Grimm als Repräsentanten einer als unbeschädigt angesehenen Tradition. Gleichzeitig reagierte die Partei empfindlich auf alles, was nach „brauner“ Unterwanderung aussah, bekannte sich zum Grundgesetz (das man zu Beginn scharf kritisiert hatte) und umwarb Bauern und Mittelstand.

„Der Reichsruf“, die Parteizeitung der DRP Foto: Aus dem Archiv des Autors

Die Wähler wollten keinen Radikalismus

Vor allem aber setzte man auf Kritik an den „Lizenzparteien“ und auf einen Nationalismus, der sich gegen die „Erfüllungspolitik“ Bonns richtete und jede Gebietsabtretung für inakzeptabel erklärte. Ein Kurs, zu dessen Nebeneffekt der dauernde Streit um den Neutralismus in der DRP gehörte. Eine eindeutige Festlegung erfolgte zwar nicht, aber die Skepsis gegenüber der „Westbindung“ – auch und gerade in kultureller Hinsicht, was „Umerziehung“ und „Amerikanisierung“ betraf – zählte zu den Kernelementen der Partei-Ideologie.

Anfang der 1950er Jahre war noch keineswegs ausgemacht, ob der von Adenauer verfolgte Kurs im Hinblick auf Teilsouveränität, Eintritt in die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl und NATO auf Dauer eine Mehrheit finden werde. Aber nach und nach zeigten sich spürbare Erfolge. Hinzu kamen der antikommunistische Konsens und das Ruhebedürfnis der Bevölkerung. Sie überwogen nicht nur den Wunsch nach Wiedervereinigung, sondern nährten auch einen starken Affekt gegenüber jeder Art von Radikalismus. Das erklärt, warum allein die Drohung Adenauers während des Wahlkampfs von 1953, einen Verbotsantrag gegen die DRP zu stellen, Wirkung zeigte. Obwohl die Bundesregierung die Absicht rasch aufgab, scheiterte die Reichspartei mit 1,1 Prozent der Stimmen an der gerade eingeführten 5-Prozent-Klausel.

Faktisch war damit der Anlauf erledigt, das politische Spektrum um eine „große konservative und strikt antitotalitäre Partei“ (Peter Dudek / Hans-Gerd Jaschke) zu ergänzen. Und je weiter die Stabilisierung der Bundesrepublik unter dem Schutzschirm der USA, in Folge von Wirtschaftswunder und europäischer Integration fortschritt, desto weniger Anziehungskraft konnte die DRP entfalten. Viele ihrer potentiellen Anhänger arrangierten sich überraschend schnell mit den neuen Gegebenheiten und wanderten zu den Bürgerblock-Parteien ab.

DRP wurde Sammelbecken für Abenteurer, Verschrobenen und verkrachten Existenzen

Die DRP war zwar im rechten Lager die einzige „reguläre Partei“, während die übrigen – die konsequenten Neutralisten der Deutschen Gemeinschaft (DG) oder der Deutsch-Soziale Union (DSU) – eher an „politische Gemeinden“ (Gerhard Opitz) erinnerten oder – wie der Gesamtdeutsche Block / Bund der Heimatvertriebenen und Entrechteten (GB / BHE) – auf eine ganz bestimmte Interessengruppe beschränkt blieben. Aber sie konnte diese Stellung niemals nutzen. Ihr fehlten die notwendigen materiellen wie personellen Ressourcen. Wegen regelmäßiger Wahlniederlagen – der Stimmenanteil lag bei Bundestagswahlen immer um ein Prozent, lediglich in Niedersachsen gab es auf Dauer eine Landtagsfraktion – blieb sie von staatlichen Zuwendungen ausgeschlossen und fand auch keinen Zugang zu potenten Spendern.

Werbung für eine Wahlkampfveranstaltung der DRP Foto: Aus dem Archiv des Autors

Die DRP mußte ohne professionellen Apparat auskommen, und die Zahl fähiger Männer, die zur Mitarbeit in einer immer stärker verfemten Partei bereit waren, blieb begrenzt. Ein Überangebot herrschte dagegen an Abenteurern, Verschrobenen, verkrachten Existenzen, fehlgeleiteten Idealisten und Anhängern des „Bewegungs“-Prinzips, die sich eine Art Parallelwelt mit Parallelkarrieren zu schaffen suchten. Deren Einfluß wuchs in dem Maß, in dem sich die verächtlich als „Reaktionäre“ und „Besitzbürger“ bezeichneten aus der DRP zurückzogen.

Aufschlußreich ist auch, daß das die Reichspartei umgebende kulturelle Milieu alle Attraktivität verlor, die es in der Nachkriegszeit besessen hatte. Was eben noch als diskutabel gegolten hatte, erschien nun bestenfalls nostalgisch, schlimmstenfalls „nazistisch“. Gleichzeitig wuchs der Druck von außen kontinuierlich an, insbesondere nach dem Skandal, den die Beteiligung von DRP-Mitgliedern an den Kölner Synagogenschmierereien 1959 auslöste. Ab jetzt umgab die Reichspartei der Ruch der „Antisemitentruppe“, obwohl man früh erkannte, daß der Osten seine Hand im Spiel gehabt hatte.

Die NPD sollte die DRP ablösen

Mit dem Verdacht, als dessen Einflußagent zu agieren, sah sich kurz darauf ausgerechnet Adolf von Thadden konfrontiert, eine der wenigen echten politischen Begabungen in der DRP. Faktisch war er aber nur Opfer einer Intrige, mit deren Hilfe der Vorsitzende Heinrich Kunstmann ihn ausschalten wollte. Der Vorstoß scheiterte, von Thadden wurde rehabilitiert und löste Kunstmann 1961 an der Spitze der DRP ab. Zu dem Zeitpunkt hatte er allerdings schon begriffen, daß man den bisher beschrittenen Weg nicht fortsetzen konnte, auch wenn der Neutralismus aus dem Programm verschwand und das Auftreten der Partei betont gemäßigt wirken sollte.

Die DRP verlor nach und nach einen erheblichen Teil ihrer bis dahin 6.000 Mitglieder. Von Thadden suchte deshalb nach einem Ansatzpunkt, um den alten Plan einer Sammlung auf der Rechten zu verwirklichen. Wegen der guten Zusammenarbeit mit der FDP im niedersächsischen Landtag hoffte er anfangs, durch eine Verbindung beider Parteien die „nationale Mitte“ reorganisieren zu können. Aber dieses Vorhaben zerschlug sich. Die Spitze der Freien Demokraten hatte längst mit der Ausrichtung nach links begonnen.

Eine letzte Hoffnung war deshalb, daß die Bildung einer Großen Koalition im Bund eine völlige Umgestaltung der politischen Landschaft zur Folge haben würde. Von Thadden entwickelte nun den Gedanken, die DRP durch eine neue – unbelastete – Partei zu ersetzen. Die wurde am 28. November 1964 unter dem Namen Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gegründet, die DRP ein Jahr später endgültig aufgelöst.

Versammlung der Deutschen Reichspartei Foto: Aus dem Archiv des Autors
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen