Der Name „Robert E. Lee“ ist mir wohl das erste Mal in dem Folksong „The Night They Drove Old Dixie Down“ begegnet. Johnny Cash hat ihn gesungen, aber auch Joan Baez, die Ikone der linken Protestbewegung. Im Text geht es um Virgil Caine, einen Veteranen der geschlagenen Südstaatenarmee und um die Härte des Lebens nach dem Zusammenbruch der Konföderation.
In einer der Strophen heißt es, daß Caines Ehefrau eines Tages glaubt, Lee gesehen zu haben, den letzten Oberkommandierenden der „Grauen“; ein Symbol des Stolzes noch immer, auch wenn „Old Dixie“, der „alte Süden“, zu Grabe getragen wurde.
Merkwürdig ist, daß es sich nicht um ein traditionelles Stück handelt. Melodie und Text entstanden erst 1969. Aber man hatte damals offenbar noch kein Problem, Mitgefühl für die Besiegten zu zeigen, auf deren Niederlage Jahre eines harten Besatzungsregimes und der kollektiven Demütigung folgten.
Brutale Art der Kriegführung des Nordens
Es dauerte lange, bis die ehemaligen Südstaatler wieder als gleichberechtigte US-Bürger anerkannt wurden. Das ist heute genauso vergessen wie die brutale Art der Kriegführung des Nordens, die General Sherman bei seinem „Marsch zum Meer“ praktizierte, oder die Rabiatheit, mit der Präsident Lincoln die Verfassung beugte und brach, um sein Ziel zu erreichen.
Dieses Ziel war, folgt man Lincolns eigenem Bekunden, nicht die Befreiung der Sklaven, sondern die Erhaltung der Union. Man kann das durchaus als vorgeschoben betrachten oder doch feststellen, daß Lincoln das eine erstrebte, um auch das andere zu erreichen.
Aber die Konfliktlage zwischen dem protektionistischen, industrialisierten und städtischen Norden auf der einen Seite, dem freihändlerischen, agrarischen und ländlichen Süden auf der anderen Seite hatte mehr als eine Dimension. Das wird auch daran deutlich, daß sich die Lage der Schwarzen in den 1861 gebildeten Confederate States of America (CSA) nicht ganz so eindeutig darstellte, wie man es heute gerne hätte.
„Black Confederates“
Ohne Zweifel befanden sich die meisten Sklaven in einer furchtbaren Lage – Lee selbst nannte ihre Unfreiheit ein politisch und moralisch „Böses“ –, aber die Rassenfrage war in dem Zusammenhang immer nur ein Faktor. Denn es gab im Süden auch eine gewisse Zahl schwarzer Sklavenhalter (etwas mehr als dreitausendsiebenhundert „Black Masters“, die vor allem in den Gegenden um Charleston, Natchez und New Orleans eigene Siedlungen hatten) und nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges Schwarze, die für den Süden in den Kampf zogen.
Bei diesen „Black Confederates“ handelte es sich zum großen Teil um Sklaven, solche, die mit ihren weißen Herren als Bedienstete oder Burschen ins Feld gingen oder solche, die zum Schanzen, zum Fouragieren, zum Kochen oder allen möglichen anderen Arbeiten eingesetzt wurden.
Zwar hatte die Regierung der CSA Sklaven das Tragen von Waffen verboten, aber es kann kaum ein Zweifel bestehen, daß auch diese etwa 100.000 Männer in Kampfhandlungen verwickelt wurden. Ein Journalist auf der Seite der Nordstaaten vermerkte nach der ersten Schlacht bei Manassas im Juli 1861, daß auf der Seite des Gegners schwarze Truppen gekämpft hätten, „ohne Zweifel von ihren tyrannischen Herren“ dazu genötigt.
Freiheit als Lockmittel
Militärsklaverei hat es in der Geschichte immer wieder gegeben. Aber in diesem konkreten Fall war nicht nur der Faktor Zwang in Rechnung zu stellen oder das Versprechen der Freiheit, falls man für den Süden focht, sondern auch das Vorhandensein einiger Kampfverbände, die aus freien Schwarzen bestanden. Bei Manassas sollen es 700 Schwarze aus Georgia, 1.000 aus South Carolina und 1.000 aus Virginia gewesen sein, etwa die Hälfte der freien Schwarzen, die in der Südstaatenarmee dienten.
Wahrscheinlich hoffte die Mehrzahl dieser Männer auf Gleichberechtigung mit den Weißen im Fall eines Erfolgs der Sezession. Ein Kalkül, das allerdings an Plausibilität verlor, als der Norden jedem Schwarzen die Freiheit und bürgerliche Rechte versprach. Die aus 1.500 Schwarzen bestehenden Louisiana Native Guards wechselten 1862 bei der Belagerung von New Orleans prompt die Seiten und gingen zur Union über. Als sich die Regierung der CSA einen Monat vor Kriegsende entschloß, jedem Sklaven die Freiheit zu versprechen, der für sie kämpfte, war es längst zu spät.
Teil eines größeren Kulturkampfs
Trotzdem darf man die Bedeutung einer gefühlsmäßigen Loyalität, die auch Schwarze für die Sache des Südens empfanden, nicht außer acht lassen. Nach dem Ende des Krieges wurde immer wieder über Schwarze berichtet, die in der Uniform der Konföderierten an Veteranentreffen teilnahmen.
Ihre Existenz ist der offiziellen Geschichtsschreibung selbstverständlich unangenehm, so wie jeder Versuch der Differenzierung eines Bildes, das man am liebsten holzschnittartig hätte. Die Auseinandersetzung um die „Black Confederates“, die seit einigen Jahren andauert, erscheint insofern nur als Teil eines größeren Kulturkampfs, der um die kollektive Erinnerung der Vereinigten Staaten geführt wird.
Ein anderer ist der Konflikt um die Gedenkstätten für Lee, der auch hinter den Krawallen in Charlottesville stand. Dabei ist unbestreitbar, daß Lee zu den bedeutendsten Feldherrn neuerer Zeit gehört, ein verantwortungsbewußter militärischer Führer, der seinen Männern angesichts der Niederlage verbot, das Land im verzweifelten Guerillakampf weiter auszubluten und unumwunden erklärte, daß er froh sei, „daß die Sklaverei aufgehoben ist. Ich glaube, daß das großartig für die Interessen des Südens sein wird.“