Die Stagnation der Wirtschaft sei keine Panikmache, sondern real (JF berichtete). So die Bilanz und Vorausschau des Regionalberichts des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Lage der europäischen Wirtschaft. Die schuldenfinanzierte Erholung nach Corona sei vorbei, warnte IWF-Europa-Direktor Alfred Kammer bei vorige Woche bei der Vorstellung des Reports in Brüssel. Nun drohe eine lange Stagnationsphase – verschärft durch die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und die Zollschocks von Donald Trump. Das Quartalswachstum im Sommer betrug in Deutschland laut Eurostat nur 0,2 Prozent.
Wegen der Überalterung gerieten die Staatshaushalte durch höhere Renten- und Gesundheitsausgaben aus dem Lot: „Über einen Zeitraum von 15 Jahren und ohne Wachstumsreformen, ohne Haushaltskonsolidierung und ohne Änderungen bei den öffentlichen Programmen würde die Verschuldung eines durchschnittlichen europäischen Landes bis 2040 auf 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ansteigen – oder sogar 155 Prozent, da einige der höchsten Schuldenquoten auf die größeren Volkswirtschaften Europas entfallen“, heißt es im IWF-Report. Dies wäre eine Verdopplung gegenüber dem heutigen Verschuldungsniveau.
IWF empfiehlt radikale Sozialreformen und verläßliche Energiewirtschaft
In Griechenland (153 Prozent), Italien (135 Prozent), Frankreich (113 Prozent) sowie Belgien und Spanien (je 105 Prozent) liegt die Verschuldung schon über der jährlichen Wirtschaftsleistung. So stiegen die Zinslasten, und die hochverschuldeten Staaten können nicht mehr angemessen auf Krisen reagieren – übersetzt: Mehr Butter und mehr Kanonen gleichzeitig geht nicht. Schon jetzt führten die Rüstungsausgaben trotz Niedrigzinsen zu keinerlei Wachstumsimpulsen durch die private Nachfrage.
Der IWF empfiehlt radikale Sozialreformen, die in Frankreich aber gerade wieder kassiert wurden. Der IWF verlangt wachstumsorientierte EU-weite öffentliche Investitionen und eine unsubventionierte verläßliche Energiewirtschaft. Nötig sei die Entbürokratisierung des Binnenmarktes – aber das versprach schon Jacques Delors’ Einheitliche Europäische Akte (EEA), die 1987 in Kraft trat. Die bürokratischen Hürden entsprächen einem Binnenzoll von 44 Prozent. Doch die EU verschiebt ihre „grünen“ Richtlinien nur um ein oder zwei Jahre.
Sondervermögen steigert Ausgabenorgie des Bundes
Interessanterweise forderte der in Deutschland geborene IWF-Direktor Kammer schon vor einem Jahr von der damaligen Ampel-Regierung nicht nur Strukturreformen, sondern auch mehr Neuverschuldung, „denn ohne funktionierende Infrastruktur kann es keine produktive Wirtschaft geben“, erläuterte Kammer in der Süddeutschen Zeitung. „Außerdem sollte Deutschland tatsächlich die geltenden Kreditregeln für die Haushalte von Bund und Ländern überarbeiten, um mehr Raum für öffentliche Investitionen zu schaffen. Wir als IWF haben ja schon vor einiger Zeit vorgerechnet: Die Schuldenbremse kann gelockert werden – und die Staatsschuldenquote sinkt trotzdem weiter.“
Ob das klappt, ist allerdings fraglich. Friedrich Merz hat die IWF-Forderung dennoch kurz nach der Neuwahl noch mit dem alten Bundestag durchgesetzt: „Der Bund kann ein Sondervermögen mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis zum Jahr 2045 mit einem Volumen von bis zu 500 Milliarden Euro errichten“, heißt es nun im neuen Artikel 143h des Grundgesetzes.
Die Aufhebung der Schuldenbremse für „Verteidigungsausgaben, die Ausgaben des Bundes für den Zivil- und Bevölkerungsschutz sowie für die Nachrichtendienste, für den Schutz der informationstechnischen Systeme und für die Hilfe für völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“ (Artikel 109, 115) ist allerdings keine IWF-Forderung gewesen. Auch daß das Berliner Baumgesetz, das die Zahl der Stadtbäume von 440.000 auf eine Million steigen lassen soll, möglicherweise aus dem Sondervermögen des Bundes mitfinanziert werden könnte, ist sicher nicht im Sinne des IWF.
Baukonzernchef Strauss: „Bauleistung in Deutschland geht 2025 sogar zurück“
Und die versprochenen 500 Milliarden Euro erhöhen zunächst die Preise, da es in Deutschland kaum noch große Baufirmen gibt: „Es passiert gar nichts. Im Gegenteil, die Bauleistung in Deutschland geht 2025 sogar zurück. Die neue Regierung hat es trotz Rekordschulden bislang nicht geschafft, das zu ändern“, erklärte Karl-Heinz Strauss, der Chef des Wiener Baukonzerns Porr AG. „Die Vorgängerregierung hat ganze Arbeit geleistet und das Land wirtschaftlich ruiniert. Atomkraftwerke wurde abgeschaltet, gleichzeitig explodierten die Strompreise. Die Industrie verliert ihre Basis.“
Ein Baubeschluß sei noch kein Bau: „Ausschreibung, Planung, Genehmigung – das dauert in Deutschland fünf, sechs Jahre. Jahrzehntelang hat man sich auf Sozialpolitik konzentriert, aber nicht auf Straßen, Brücken oder Schienen. Statt der nötigen 400.000 Wohnungen entstehen in Deutschland jährlich nur 220.000. Das treibt Mieten und Preise. Deckel oder Eingriffe helfen da gar nichts. Im Gegenteil, sie verhindern Neubau“, so Strauss.






