Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) befürchtet Finanzierungsschwierigkeiten für kleine und mittelgroße Unternehmen, sobald die Corona-Hilfen enden. „Wenn die Corona-Hilfsprogramme, die Liquiditäts- und Überbrückungshilfen und auch die Kurzarbeiterregelung auslaufen und die Unternehmen wieder verstärkt auf Fremdfinanzierung angewiesen sind, droht in der Tat eine Kreditklemme“, warnt BVMW-Chefvolkswirt Hans-Jürgen Völz auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen befänden sich zunehmend in einem „Zangengriff bei der Kreditvergabe“, ergänzte Völz. Banken seien aufgrund von EU-Regelungen wie Basel II und III gezwungen, hinreichend hohes Eigenkapital als Sicherheit für die Kreditvergabe einzufordern. Gleichzeitig mangle es aber an einer Steuer- und Abgabenpolitik der Bundesregierung, die das Eigenkapital von Mittelständlern schone.
„Die Folge ist, daß die Eigenkapitalquote gerade mittelständischer Unternehmen, die eine spürbare Erholung nach der Finanzkrise 2008/2009 erfahren hat, in den letzten Jahren gesunken ist“, führte der Ökonom aus. Dazu komme, daß die Liquidität von weiten Teilen des Mittelstands „in bisher nicht gekanntem Ausmaß“ während der Corona-Krise gesunken sei.
Schwierige Kreditaufnahme
Mittelständler hatten zuletzt Schwierigkeiten, sich über Bankkredite zu finanzieren. Jeder siebte berichtete von schlechteren Finanzierungsbedingungen, wie eine Creditreform-Umfrage von Ende April herausfand. So verlangten Banken bei über 60 Prozent der betroffenen Unternehmen mehr Sicherheiten und bei knapp 23 Prozent stiegen die Kreditzinsen. „Kreditgeber haben zunehmend Sorge vor Ausfällen aufgrund des Corona-Wirtschaftseinbruchs“, sagte der Leiter Wirtschaftsforschung bei Creditreform, Patrik-Ludwig Hantzsch.
Auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) berichtete von verschärften Finanzierungsbedingungen im Mittelstand: doppelt so viele Unternehmen meldeten im Frühjahr einen schwierigeren Kreditzugang als im Vorjahreszeitraum, ermittelte eine Umfrage der Bank.
Die Eigenkapitalausstattung des Mittelstands schrumpfte zuletzt im Frühjahr, wie die Wirtschaftsauskunftei Creditreform berichtete. Der Anteil der Mittelständler mit einer Eigenkapitalquote von über 30 Prozent sank leicht auf knapp ein Drittel. Dagegen stieg der Anteil von eigenkapitalschwachen Firmen von 27,4 auf 30,7 Prozent. „Ein Andauern der Krise dürfte die Stabilität vieler Unternehmen weiter beeinträchtigen“, erläuterte Hantzsch und fügte hinzu, daß der mühsame Eigenkapitalaufbau der vergangenen Jahre durch die Corona-Krise teils zunichte gemacht worden sei.
Ökonom Schnabl: Zombiefirmen bedrohen Wohlstand
Eine Kreditklemme könnte nicht bloß die Wirtschaft ausbremsen, sondern auch viele Unternehmen pleite gehen lassen. Kritische Ökonomen wie der Leipziger Professor Gunther Schnabl warnen vor der sogenannten Zombifizierung der Wirtschaft. Niedrigzinsen, Kurzarbeitergeld und Corona-Hilfen würden Unternehmen künstlich am Leben erhalten, die eigentlich nicht mehr rentabel wirtschafteten.
Die Kreditvergabe der KfW habe sich im vergangenen Jahr verdreifacht, stellt etwa Schnabl in einem Fachaufsatz fest und fügt hinzu: „Das hat zusammen mit Rekapitalisierungen, Direktzahlungen, dem Aussetzen der Insolvenzantragspflicht sowie einem 130-Milliarden-Euro-Konjunkturprogramm einer großen Corona-Bankrottwelle vorgebeugt.“
Laut Schnabl bedrohen Zombiefirmen den Wohlstand. „Die Bemühungen vieler Unternehmen, die Effizienz zu erhöhen und Innovationen voranzubringen, nehmen ab“, schreibt der Leipziger Professor. Arbeit und Kapital sei in Betrieben mit geringer Effizienz gebunden. Die preisbereinigten Löhne würden dadurch sinken. Wenn Europa nicht wie Japan enden wolle, in dem seit dem Jahr 1998 die realen Löhne fallen, müsse es der schleichenden Zombifizierung Einhalt gebieten. „Der Schlüssel dazu liegt bei der Geld-, Finanz, und Lohnpolitik.“.