In der periodisch die Gemüter erhitzenden Diskussion um die Deutungen des irdischen Werdens und Vergehens werden einige wesentliche Aspekte gerne vernachlässigt. Dazu zählt die fundamentalste aller evolutionstheoretischen Fragen: Wie entstand oder entsteht Leben? Zur Entstehung der ersten Moleküle, aus denen sich lebendige Materie entwickelte, machte der Student Stan Miller 1953 ein aufschlußreiches Experiment: Er brachte Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Methan in einen geschlossenen, wassergefüllten Glaskolben ein. Darüber entzündete er einen elektrischen Blitz. Mit dem Ergebnis, daß aus dem Wasser binnen weniger Tage eine Ursuppe entstand, in der sich Moleküle lebendiger Organismen wie Aminosäuren nachweisen ließen. Der katholische Katechismus stellt fest: „Gewiß kann schon der menschliche Verstand eine Antwort auf die Frage nach den Ursprüngen finden. Das Dasein eines Schöpfergottes läßt sich dank dem Licht der menschlichen Vernunft mit Gewißheit erkennen.“ Albert Einstein wandte sich lebhaft gegen diesen Glauben: „Zwei Dinge sind unendlich: das Universum und die menschliche Dummheit. Aber beim Universum bin ich mir nicht ganz sicher.“ Evolution als ziellosen, ungeleiteten Prozeß von Mutation und Selektion zu betrachten, wie Neo-Darwinisten es tun, fällt wiederum nicht nur Kirchenvertretern schwer. Doch wo liegt die Wahrheit? Eine hochinteressante Betrachtung evolutionären Geschehens liefert die – wissenschaftlich allerdings höchst umstrittene – Energon-Theorie des Wiener Meeresbiologen, Verhaltensforschers und Filmemachers Hans Hass. In ihrer Quintessenz besagt der in den 1960er Jahren entwickelte Denkansatz folgendes: Der Energieerwerb ist die wichtigste und zentrale Funktion aller Lebewesen. Tiere und Pflanzen wie sämtliche Strukturen menschlichen Schaffens folgen derselben Ausrichtung. So unterschiedlich sie sich darstellen mögen, sind sie alle darauf fokussiert, ihr Energiepotential zu erhöhen. Qualität und Dauer ihrer Existenz stehen und fallen mit dieser einen Tätigkeit. Glückt es einem Energon (einem energieerwerbenden System), eine im Durchschnitt positive Energiebilanz zu erzielen, kann es bestehen. Denn mehr nutzbare Energie aufzunehmen, als die Erwerbsanstrengung verbraucht, ist Existenzgrundlage jedes Energons. Gerät dieser Lebensantrieb in den roten Bereich eines defizitären Energiebudgets, kann kurzfristig von Reserven und dem Abbau der eigenen Struktur gezehrt werden. Bleibt die Bilanz negativ, hört das System auf, Energon zu sein – es stirbt und vergeht. Die Begriffe „Lebewesen“ und „Energon“ decken sich über weite Strecken der Evolution. Wo Lebewesen aber zusätzliche Organe schaffen, um ihr Überleben zu sichern, kommt es zu Abweichungen. Als Beispiele solcher Ausnahmen können Netzspinnen (das Artefakt „Spinnennetz“) oder Einsiedlerkrebse (das Artefakt „Schneckengehäuse“) gelten. Die deutlichste Diskrepanz zwischen Lebewesen und Energon schaffe der Mensch, indem er Werkzeuge anzufertigen und diese zielführend einzusetzen vermag. Werkzeuge, Sprache, ich-bewußte Erfahrungsanalyse und Geld sind die maßgeblichen Faktoren, die die Leistungsfähigkeit des menschlichen Zellkörpers nahezu beliebig steigerbar machen. Der Universalvermittler Geld ermöglicht dem darüber verfügenden Menschen, Dienste anderer in Anspruch zu nehmen. Hierin liegt mancher Vorteil, doch ebenso bereits der Keim gesellschaftspolitischer Irrungen, die ihren Ausdruck in der individualisierten, bedürfnisorientierten Imagegesellschaft finden. Die vom Menschen geschaffenen Strukturen zur Energievermehrung nennt Hass Mega-Energone – sprich: Unternehmen und Staaten. Beide sind, wie der sie begründet habende Mensch, auf die Erzielung durchschnittlich positiver Energiebilanzen angewiesen. Ihr erfolgreiches Bemühen um solche „Überschüsse“ erhöht ihre Lebensdauer, hebt sie gleichzeitig aber über den sie in Gang haltenden Funktionsträger, den Menschen, empor. Der Mensch verkommt zum Bedienungselement der selbstgeschaffenen Strukturen. Seine Ersetzbarkeit reduziert – bei Außerachtlassung der bloßen Konsumfunktionen – nachhaltig den gemeinschaftsrelevanten Wert des Individuums. Die von diesem namenlosen Arbeitssoldaten betriebenen Mega-Energone indes agieren um so erfolgreicher, je mehr Energieumsatz und -gewinn sie erwirtschaften. Die Prinzipien der Evolution der Lebewesen setzen sich unmittelbar in den von Menschenhand geschaffenen Energonen fort. Seine eigenen Kreationen wachsen dem Menschen über jenen klugen Kopf, auf den sein maßloses Selbstbild die Krone der Schöpfung setzt. Die Folgen sind unstillbarer Erlebnishunger, manische Genußsteigerung, Wunscherfüllung und Triebbefriedigung. Die bedeutendste, vom bizarren Treiben einer dekadenten Spaßgesellschaft aufgeworfene Frage lautet: Beginnt die Hybris da, wo der Energieerwerb zur Sicherung des eigenen Überlebens endet und in einen haltlosen Rausch der Ausbeutung schwächerer Schöpfungskinder ausartet? Der 1999 mit dem Konrad-Lorenz-Staatspreis für Natur- und Umweltschutz augezeichnete Hans Hass kommt in seiner Energon-Theorie zu dem Schluß: „Der Planet Erde und seine Ressourcen werden zu klein für diese Entwicklung. Die vom Menschen gesteuerten Hyperzeller (Mega-Energone) sind den Einzellern und Vielzellern allzu sehr überlegen geworden. Sie drängen diese zurück, schädigen sie durch ihre Auswirkungen und führen zur Gefahr einer Selbstzerstörung der Menschheit und des Lebens insgesamt.“ Weitergehende Informationen finden sich im Internet unter www.hans-hass.de Eine Übersicht der Hans Hass-Filme steht unter www.hist-net.de/Filmgalerie/Filmgalerie.htm
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