Eine Untersuchung des unternehmernahen Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) stellt der aktuellen Einwanderungspolitik ein vernichtendes Zeugnis aus. Deutschland verliert „Humankapital“, weil die Auswanderer besser qualifiziert sind als die Einwanderer. „Deutschland ist de facto ein Einwanderungsland“, konstatiert die Studie angesichts von offiziell 780.000 Zu- und 698.000 Fortzügen im Jahre 2004. Von „Wanderungsgewinn“ kann dabei allerdings nur quantitativ die Rede sein, weil dem positiven Wanderungssaldo kein Zuwachs an „Know-how“ entspricht. Mit anderen Worten: Deutschland verhält sich nicht so nutzenorientiert, wie man das von einem Staat, der sich als Einwanderungsland definiert, erwarten könnte. „Der Nutzen der Zuwanderung ist um so größer, je höher die Qualifikation der Zuwanderer ist“, stellt das IW nüchtern fest. Daß Einwanderung „volkswirtschaftliche Vorteile“ bringe, will das IW aber nur gelten lassen, wenn tatsächlich auch kluge Köpfe einwandern. Dadurch könnten positive Arbeitsmarkt-Mechanismen in Gang gesetzt werden: „Erst wenn es einen Ingenieur gibt, der eine neue Maschine konstruiert, werden weitere Arbeitskräfte gebraucht, die diese Maschine bauen, vermarkten, transportieren und warten.“ Auch der Widerstand der Einheimischen gegen die eingewanderte Konkurrenz halte sich in diesem Bereich in Grenzen – im Hochlohnsektor sei „Lohndrückerei“ kein Thema, meinen die IW-Experten. Neben der permanent hohen Arbeitslosigkeit herrsche in Deutschland nämlich nach wie vor auch Fachkräftemangel. Wenn dagegen vorwiegend unqualifizierte Arbeitskräfte einwandern, sieht die Lage ganz anders aus: Dann entsteht Lohnkonkurrenz, die Einkommen sinken, allerdings nicht unter das „Hartz IV“-Niveau – dann melden sich die einheimischen Arbeitskräfte nämlich lieber arbeitslos. Neue Arbeitsplätze entstehen auf diese Weise jedenfalls nicht. Ebenso schädlich wie die Einwanderung von Unqualifizierten sei die Abwanderung von Qualifizierten. Der Volkswirtschaft fehlten dann Forscher und Entwickler, der Motor des Wirtschaftswachstums, so das IW. Die wenigen, die bleiben, würden so knapp und teuer, daß sich für viele Firmen Forschung und Entwicklung am Standort Deutschland schon deswegen nicht mehr lohne. Neue Kräfte anzuwerben ist aber allemal aufwendiger als die, die da sind, zu halten – das lernen Betriebswirtschaftler schon im ersten Semester. Um die Qualifikationen und Fähigkeiten von Ein- und Auswanderern zu messen und zu vergleichen, addiert und saldiert das IW nicht einfach Ausbildungsabschlüsse und Diplome. Diese Methode bezeichnen die Autoren als zu ungenau, da beträchtliche Verzerrungen entstehen können, wenn Menschen – wie der sprichwörtliche promovierte Taxifahrer – nicht auf dem Feld ihrer ursprünglichen Qualifikation arbeiten. Vielmehr habe man zu ermitteln versucht, welche Früchte das „Humankapital“ der Betreffenden trägt, indem aus dem jeweiligen Einkommen der Anteil herausdestilliert wurde, der auf Ausbildung und Berufserfahrung beruht. Nach IW-Berechnungen entspricht das Qualifikationsniveau von Kräften aus den alten EU-Ländern in etwa dem der Einheimischen, während Einwanderer aus Nicht-EU-Staaten durchschnittlich nur 76 Prozent dieses Niveaus erreichen. Schlecht für die Kosten-Nutzen-Bilanz: Die Einwanderer nach Deutschland kommen zumeist nicht aus Europa, im Jahr 2003 wurden immerhin „netto“ gut hunderttausend Einwanderer aus Nicht-EU-Ländern gezählt. Ebenso viele meist gut ausgebildete Deutsche kehren alljährlich frustriert dem eigenen Land den Rücken. Bemerkenswert an dieser Studie ist zunächst, daß sie bei der Untersuchung der Einwanderungsfolgen die bislang meist vernachlässigten der Auswanderung hochqualifizierter Einheimischer miteinbezieht. Die Erkenntnis, daß Deutschland volkswirtschaftlich gesehen bei der bislang praktizierten Einwanderungspolitik eher draufzahlt, ist dabei nicht unbedingt neu. Der Bevölkerungswissenschaftler Herwig Birg von der Uni Bielefeld hat etwa in mehreren Studien, unter anderem im Auftrag der bayerischen Staatsregierung, die massive soziale Umverteilung von den Einheimischen zu den Einwanderern angeprangert und seine Argumente mit harten Zahlen untermauert. Hauptursache dafür, daß Zuwanderer pro Kopf mehr Leistungen empfingen, als sie Beiträge einzahlten, sei die relativ höhere Arbeitslosen- und Sozialhilfequote der Eingewanderten. Diese Unterschiede, schrieb Birg schon im Jahr 2002, beruhten wiederum auf gravierenden Unterschieden im Qualifikations- und Bildungsniveau. Birg hat wiederholt darauf hingewiesen, daß Deutschland angesichts der katastrophalen demographischen Entwicklung sogar die Verarmung durch Einwanderung drohe, weil der Zustrom Minderqualifizierter die Zahl der Transferempfänger, die vom schwindenden Bevölkerungsanteil der Leistungsträger und Beitragszahler noch mitunterhalten werden müsse, weiter erhöhe. Birg hat frühzeitig den Blick auf die langfristigen demographischen Zusammenhänge gerichtet. Demnach läßt sich das Schrumpfen des Bevölkerungspotentials in den produktiven Altersklassen auch durch kontinuierlich hohe Nettoeinwanderung nicht wesentlich aufhalten. Bestehenden Engpässen auf dem Arbeitsmarkt müsse durch familien- und arbeitsmarktpolitische Instrumente abgeholfen werden – einer Qualifizierungsoffensive etwa und Maßnahmen zur Verhinderung der Abwanderung gut ausgebildeter Einheimischer. Neu an der Studie des IW ist daher in erster Linie, daß der Alarmruf diesmal von der deutschen Wirtschaft selbst kommt, die bislang von der Politik stets als Kronzeuge für die Forderung nach noch mehr Einwanderung in Anspruch genommen wurde. Der IW-Bericht „Zu wenig kluge Köpfe“ erschien im: iwd 50/05. Im Internet: www.iwkoeln.de Die Studie „Auswirkungen und Kosten der Zuwanderung nach Deutschland“ steht im Internet unter: www.herwig-birg.de/downloads Foto:Deutschkurs für Türkinnen in Berlin: Umverteilung von den Einheimischen zu den Einwanderern