In der Branche Forst und Holz herrscht Aufbruchsstimmung. Sie erwartet von dem Machtwechsel in Berlin aber nicht Subventionen, sondern den Verzicht auf Behinderungen und Benachteiligungen. Denn das wirtschaftliche Potential derer, die Holz erzeugen, mit Holz handeln und Holz verarbeiten, wird von Politikern und Öffentlichkeit bei weitem unterschätzt. In Deutschland gibt es etwa 1,3 Millionen Waldbesitzer und über 100.000 mittelständische Unternehmen. Sie beschäftigen über eine Million Menschen, erzielen über 100 Milliarden Euro Jahresumsatz und repräsentieren über drei Prozent des Produktionswertes (Bruttosozialproduktes) der deutschen Wirtschaft – ein schlafender Riese. Und die Nachfrage nach Holz wird steigen, der Preis für Holz die dunkle Talsohle verlassen und langsam, aber sicher lichten Höhen entgegenstreben. Das sind Hoffnungen und Prognosen, aber sie sind nicht aus der Luft gegriffen, sondern werden als realistisch eingeschätzt. Deutschland ist das wald- und holzreichste Land der EU. Die Holzvorräte betragen fast 3,4 Milliarden Kubikmeter; selbst Schweden und Finnland bleiben dahinter zurück. In Deutschland ist der Rohstoff Holz reichlich verfügbar und könnte weit mehr verwendet werden als bislang, ohne dabei von der Substanz zu leben und damit das Gebot der nachhaltigen Waldbewirtschaftung zu verletzen. Jahr für Jahr wächst das Holz in deutschen Wäldern um insgesamt rund 80 Millionen Kubikmeter, genutzt werden nur 50 bis 55 Millionen. Die Vorräte nehmen also jedes Jahr noch zu. Dabei wird es wohl bis zum Jahr 2020 bleiben. Steigende Holzvorräte bedeuten aber, daß die Wälder überaltern, daß Jungbäume nicht genug Raum zum Wachsen haben, daß zu starkes Holz schwerer verkäuflich ist. Und werden Wälder nicht genutzt, verkommen sie. Daher haben die großen deutschen Forstorganisationen (Deutscher Forstwirtschaftsrat, Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände/AGDW und Deutscher Holzwirtschaftsrat/DHWR) vergangenen Monat in Wiesbaden auf diese Lage aufmerksam gemacht. Ihr Ziel: Im deutschen Wald muß deutlich mehr Holz geschlagen werden. Außerdem sind Mehreinnahmen dringend nötig, um den Wald zu pflegen. Ein Wald, wie wir ihn kennen und schätzen, lebt nur, wenn Bäume fallen. Doch dieses Holz muß auch Verwendung und Käufer finden. Daher soll der Holzverbrauch in Deutschland in den nächsten zehn Jahren um 20 Prozent gesteigert werden. In Ländern wie Schweden, Finnland und Österreich ist der Pro-Kopf-Verbrauch von Holz bis zu fünfmal höher als in Deutschland. So könnte Holz als Baustoff eine weit größere Rolle spielen. Warum nicht wie in Österreich? Dort werden im Hausbau nach Angaben des Holzwirtschaftsrates 45 Prozent Holz eingesetzt. In Skandinavien sind es 50 und in den USA sogar rund 90 Prozent, aber in Deutschland nur magere 15 Prozent. Michael Prinz zu Salm-Salm nennt es gar einen „Skandal, daß nur mit Stahl und Beton gebaut wird“. Der AGDW-Präsident verweist als positives Beispiel auf die Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen in Berlin. Die sei ganz aus Holz errichtet. Für DHWR-Präsident Wilhelm Vorher hat die öffentliche Hand für das Bauen mit Holz eine Vorbildfunktion zu übernehmen. Für Salm ist Holz „der Rohstoff des Jahrtausends“. Das Innovationspotential für die zusätzliche Nutzung von Holz mit seiner großen Verwendungsvielfalt sei gigantisch. „Die Wertschöpfung der Branche Forst und Holz könnte um 40 Milliarden Euro im Jahr erhöht werden, wenn wir voll nutzen, was wir vom Holz im Wald nutzen können“, so Salm. Außerdem bindet Holz, das verbaut wird, während des Wachsens Kohlendioxid (CO2). Wird Holz verbrannt, ist es CO2-neutral; es setzt nur soviel CO2 frei, wie es vorher aufgenommen hat. Daher soll die energetische Nutzung von Restholz (Hackschnitzel) und von Sägespänen (Holz-Pellets) weiter vorangebracht werden. Auch ist Holz als Brennstoff derzeit gegenüber dem so teuer gewordenen Öl und Gas preislich im Vorteil. Der Absatz dafür ist geradezu in die Höhe geschossen. Die Branche glaubt, daß Öl und Gas teuer bleiben und daß Restholz als Brennstoff noch weit größere Absatzaussichten hat. Damit dies alles gelingt, versucht die Branche, der Politik die Bedeutung von Wald und Holz für Wirtschaft und Umwelt nahezubringen und ihre Wünsche durchzusetzen. Unter der rot-grünen Bundesregierung ist das erst zum Teil gelungen. Dazu gehört die 2004 ins Leben gerufene „Charta für Holz“. Diese gemeinsame Initiative von Politik und Wirtschaft zur verstärkten Nutzung heimischen Holzes haben alle Parteien unterstützt. Doch nun drängt die Branche auf mehr. Sie hat 18 Maßnahmen aufgelistet, die sie für vordringlich hält. Zum Beispiel will sie das deutsche Naturschutzrecht vereinfacht sehen. Es sei für Waldeigentümer unüberschaubar und unpraktikabel geworden. Zu viele der Auflagen seien nicht nachvollziehbar. Die Novelle des Bundeswaldgesetzes hält sie für verfehlt; sie belaste die Forstbetriebe und sei kontraproduktiv. Für Holztransporte mit Lkws fordert sie ein höheres Ladungsgewicht wie in konkurrierenden Ländern. Ohnehin dreht sich alles um den Abbau von Vorschriften, Behinderungen, Wettbewerbsnachteilen. „Wir wollen keine Subventionen, sondern nur faire Wettbewerbsbedingungen, damit wir unsere Potentiale verantwortungsbewußt selbst entfalten können.“ Der gemeinsame Auftritt der drei Forst- und Holzverbände sollte öffentlich machen, was man von Regierenden und Parlamentariern der neuen Legislaturperiode erwartet. Aber auch bei sich selbst wollen sie mehr tun: die Interessen besser bündeln als in der Vergangenheit und sich in der Öffentlichkeit überzeugender präsentieren. Foto: Mobiles Sägewerk eines privaten Besitzers bei Briesen/Mark: „Wir wollen keine Subventionen“