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Mehr Markt, weniger Ausgleich

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Unwort, Umfrage, Alternativ

Kopfpauschale (CDU I), Bürgerversicherung (SPD/Grüne), Gesundheitsprämie (CDU II), das modifizierte System der Privaten Krankenkassen (PKV) des Kronberger Kreises der FDP und jetzt die Bürgerpauschale – die Kreativität der Gesundheitspolitiker in Sachen Gesundheitswesen bordet über. Deshalb basteln die Bundestagsparteien an der Quadratur des Kreises: Gesundheitsleistungen bei konstanten Beiträgen der Versicherten, trotz demographischen Wandels und medizinisch-technischen Fortschritts, heute und in Zukunft. Die Produzenten neuer Gesundheitssysteme rechnen sich diese passend. Die Konkurrenten rechnen sie nach und kommen zum Ergebnis, daß der Wille ökonomische Tatbestände außer acht läßt. Nach der Bürgerversicherung war die Kompromiß-Gesundheitsprämie von CDU/CSU ein Schulbeispiel für groben Dilettantismus. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat in seinem Jahresgutachten 2004/2005 alle Reformmodelle als untauglich bezeichnet. Das CDU/CSU-Modell wurde als Mogelpackung entlarvt. Die genannte Pauschale von monatlich 169 Euro pro Erwachsenen für die Finanzierung der Krankenversicherung ist viel zu niedrig gegriffen. Zu Beginn der Einführung einer Gesundheitsprämie rechnet der Sachverständigenrat mit 198 Euro pro Versicherten, die in den kommenden Jahren wegen der Alterung der Bevölkerung laufend erhöht werden muß. In zehn Jahren sei mit 239 Euro zu rechnen, im Jahr 2050 mit 500 Euro pro Erwachsenen pro Monat. Allen Modellen mangelt es an Überlegungen für die Zukunft, die durch Verbesserungen der Versorgung der Versicherten und damit auch mit nicht unerheblichen Kostensteigerungen verbunden ist. Was für einen Golf mit der Technik des Jahres 2004 gilt, der einfach teurer als ein VW-Käfer mit der Technik des Jahres 1960 ist, hat auch Gültigkeit für die Medizin im Vergleich der Jahre 1960 und 2004. Die Medizin wird nicht auf dem Stand des Jahres 2004 stehenbleiben. Bis zum Jahr 2050 sind heute unheilbare Krankheiten heilbar. Neue Methoden in der operativen Versorgung der Menschen können heute inoperable Zustände behandelbar machen. In der Rehabilitation werden Pflegefälle vermieden. Kostenlos ist das nicht. Im fünften Kapitel des Jahresgutachtens unter der Überschrift „Herausforderungen annehmen – 1. Krankenversicherung und Pflegeversicherung: Pauschalprämien statt einkommensabhängiger Beiträge“ weist der Sachverständigenrat auf die Schwachstellen der vorgelegten Modelle hin. In einer Analyse der Modelle wird gezeigt, daß es aus ökonomischer Sicht kein optimales, aber ein bestes gibt. Das sei ein System mit einer Mindestversicherungspflicht für alle Bürger, das über einkommensunabhängige Pauschalbeiträge finanziert wird, eine „Bürgerpauschale“. Dieses Modell ist eine Weiterentwicklung des SVR aus dem Jahresgutachten 2002. Der Leistungskatalog dieser neuen Versicherung soll dem gegenwärtigen Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entsprechen. Die Finanzierung erfolgt im Umlageverfahren über einkommensunabhängige Pauschalbeiträge. Dabei wird Wert darauf gelegt, daß sich die Höhe der Beiträge für jede Krankenkasse an den durchschnittlichen Gesundheitskosten je Versicherten orientiert. Das aber heißt, daß die Beiträge der Krankenkassen unterschiedlich sind. Zurückzuführen ist das jedoch nicht auf eine Beitragsdifferenzierung nach Krankheitsrisiko, Alter oder Geschlecht. Eine derartige Beitragsdifferenzierung ist verboten. Die Krankenkassen unterliegen dem Kontrahierungszwang. Jede Krankenversicherung muß einen Bürger, der bei ihr Mitglied werden will, aufnehmen. Bisher sind die nicht erwerbstätigen Ehegatten beitragsfrei mitversichert. Das würde geändert. Die beitragsfreie Mitversicherung der Kinder (bis 20 Jahre) bei ihren Eltern bleibt erhalten. GKV und PKV können so auf einem einheitlichen Versicherungsmarkt miteinander konkurrieren, so daß auch die PKV die Bürgerpauschale anbieten können. Für die Sicherung des Wettbewerbs soll ein morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich zwischen allen auf diesem Markt tätigen Anbietern sorgen. Die derzeitigen Arbeitgeberbeiträge werden als Bruttolohnbestandteil ausbezahlt und in die Besteuerung einbezogen. Gleichzeitig erhöhen die Rentenversicherungen die Bruttorente um den Anteil der Krankenversicherungsbeitrags der Rentner, den sie bisher direkt an die Krankenkassen überweisen. Für diejenigen Bürger, die ein geringes Einkommen haben, wird ein sozialer Ausgleich installiert. Er wird gewährt, wenn die Krankenversicherungspauschale einen bestimmten Prozentsatz des gesamten Haushaltseinkommens überschreitet. Die dafür nötigen Mittel werden vom Staat aus Steuergeldern finanziert. Als Einkommensgröße können die heute schon bewährten „Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt“ dienen, die bei der Ermittlung einer Überbelastung maßgeblich sind. Das Krankengeld wird aus dem Leistungskatalog gestrichen. Das Krankengeld ist eine Lohnersatzleistung und deshalb in einer gesonderten Pflichtversicherung über lohnabhängige Beiträge zu finanzieren. Der monatliche Pauschalbeitrag würde bei Einbeziehung der gesamten Wohnbevölkerung in die Versicherungspflicht und einer beitragsfreien Mitversicherung von Kindern im Alter bis zu 20 Jahren durchschnittlich 198 Euro monatlich betragen. Die demographische Entwicklung, der medizinisch-technische Fortschritt, der Effizienzgrad der Leistungserstellung und die Intensität des Wettbewerbs auf der Ausgabenseite werden aller Voraussicht nach zu einer Beitragssteigerung führen. Der SVR geht jedoch davon aus, daß steigende Prämien in einem Pauschalbeitragssystem mit geringeren nachteiligen Effekten verbunden sind als steigende Beitragssätze in dem heutigen einkommensbezogenen System der GKV, in dem eine Beitragssatzerhöhung wie eine Einkommensteuererhöhung wirkt. Nur wenn das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) je Einwohner mit einer durchschnittliche Rate von 3,6 Prozent bei Annahme einer Inflationsrate von 1,5 wächst, kann die Belastung des Pro-Kopf-Einkommens mit der Bürgerpauschale konstant bleiben. Die Wachstumsrate des nominalen BIP zwischen 1995 und 2003 betrug zum Vergleich durchschnittlich 2,0 Prozent. Bleibt es bei dieser Wachstumsrate, ist eine Erhöhung der Beitragspauschale nicht zu vermeiden. Das aber würde auch zu einer Erhöhung der Zuschußempfänger führen und damit zu einem steigenden Zuschußbedarf, der über eine Erhöhung des Solidaritätszuschlags, eine Parallelverschiebung des Einkommensteuertarifs oder eine Umsatzsteuererhöhung finanziert werden könnte. Für den Sachverständigenrat ist die Allokationseffizienz des Finanzierungssystems der Krankenversicherung am besten durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gewährleistet.

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