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Angela Merkel allein zu Haus

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Noch vor einem Jahr, auf dem CDU-Parteitag in Leipzig, sah sich CDU-Chefin Angela Merkel in einer sehr guten Ausgangsposition. Zwar war die Bundestagswahl 2002 verlorengegangen, aber das hatte nicht sie getroffen, sondern ihren ewigen Widersacher im Kampf um die Kanzlerkandidatur, den Bayern Edmund Stoiber. Alle anderen Wahlen waren gewonnen und die CDU-Programmatik auf „modernste Volkspartei Europas“ umgestellt worden. Dem Durchmarsch, erst Kanzlerkandidatin und dann Nachfolgerin von Gerhard Schröder zu werden, schien nichts mehr im Wege zu stehen. Aber Leipzig war gestern, und der Parteitag in Düsseldorf bringt eine andere Lage. Auf dem am Sonntag mit einer Präsidiumssitzung und einem Presseempfang beginnenden Parteitag muß sich Merkel zur Wiederwahl stellen und zur Untermauerung des Anspruchs auf die Kanzlerkandidatur ein überzeugendes Ergebnis erhalten. Vor zwei Jahren lag die Situation noch anders. Kurz nach der Bundestagswahl hatte Merkel mit Stoibers Unterstützung ihren parteiinternen Rivalen Friedrich Merz vom Sessel des Fraktionsvorsitzenden im Bundestag verdrängt. Beim Wahlparteitag in Hannover im November 2002 quittierten besonders nordrhein-westfälische Delegierte diese Aktion mit einer massiven Flucht aus dem Saal, als es darum ging, Merkel im Amt der Parteivorsitzenden zu bestätigen. Bezogen auf die Zahl der wahlberechtigten Delegierten bekam die CDU-Chefin seinerzeit noch 75 Prozent. Merkel-Anhänger wie CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer behaupteten damals und später, viele Delegierte seien in der Kaffeepause gewesen und hätten die Wahl verpaßt. Der Merz-Flügel verbreitet dagegen bis heute die These, die Abstimmung mit den Füßen gegen die Vorsitzende habe tatsächlich stattgefunden. Daß Merz sich in Düsseldorf noch großartig in Szene setzen wird, ist auszuschließen. Der von der Parteichefin erst weggemobbte und dann kaltgestellte Partei- und Fraktionsvize verzichtet auf seine Führungsämter. Der Sauerländer kündigte bereits vor einiger Zeit seinen Rücktritt als stellvertretender Fraktionsvorsitzender und seinen Verzicht auf eine Wiederwahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden an. Merz wird künftig in einer internationalen Rechtsanwaltskanzlei arbeiten und nur noch sein Bundestagsmandat weiter ausüben. Er dürfte erkannt haben, daß weiterer Widerstand gegen die machtbewußte und mit allen Wassern gewaschene CDU-Chefin sinnlos ist. Merz dürfte außerhalb der Politik abwarten, bis seine Chance in einigen Jahren wiederkommt. Ein anderer Fall ist der Oberbayer Horst Seehofer. Der bekennende Gegner der Kopfpauschalen-Pläne der CDU-Chefin hat inzwischen das Handtuch geworfen und seinen Rücktritt aus der Fraktionsführung erklärt. Das ist natürlich in erster Linie kein CDU-Problem, zeigt aber eine Tendenz auf: Es wird einsam um die Rostocker Pastorentochter. Weithin unbekannte Führungscrew So muß sich Merkel, umgeben von einer weithin unbekannten Führungscrew oder ihr Scheitern in Lauerstellung abwartenden Ministerpräsidenten wie Roland Koch (Hessen) oder Christian Wulff (Niedersachsen), allein durch den Düsseldorfer Parteitag kämpfen. Jeder Fehltritt dürfte hinter den Kulissen und in der Lobby hämische Kommentare auslösen. Ihre Gegner haben den Dolch im Gewand, den offenen Widerstand wagen aber weder Merz noch Koch oder Wulff, die sich allesamt für den besseren CDU-Chef oder sogar Kanzler halten. Alle Gegner wissen, wie schwer es ist, Mehrheiten zu bekommen, und halten sich deshalb bedeckt. Wie anders waren doch die Zeiten, als Helmut Kohl 1982 zur Macht in Bonn strebte. Der Pfälzer war von einer Riege eigensinniger Politiker umgeben, die für die verschiedenen Richtungen der CDU standen. Genannt werden sollen nur der Finanzfachmann Gerhard Stoltenberg, der Nationalkonservative Alfred Dregger und der Sozialpolitiker Norbert Blüm. Von Flügelspielern oder Mittelstürmern ist in der CDU von heute nichts mehr zu sehen. Es gibt kein Team mehr und folglich auch keinen Teamgeist. Merkel ist allein im Konrad-Adenauer-Haus. Ihre Kopfpauschale in der Krankenversicherung kann die CDU-Chefin selbst bei optimistischer Betrachtung den Delegierten nicht mehr als den großen Hit verkaufen, auch wenn über das Kompromißmodell mit der CSU in Düsseldorf diskutiert und es aus symbolischen Gründen unabhängig vom Leitantrag zur Abstimmung gestellt wird. Zu sehr hatte Stoiber das Modell zerfleddert. Nicht nur sachliche Gründe spielten mit. Der CSU-Chef hält seine CDU-Kollegin für eine „Leichtmatrosin“, der er nicht zutraut, zusammen mit dem FDP-Freizeitkapitän Guido Westerwelle 2006 bei den Wählern die nötigen Stimmen für die Wende zugunsten der Bürgerlichen einzusammeln. Daher durfte sie keinen Erfolg haben. Stoiber zettelte einen wochenlangen Zermürbungskrieg mit der CDU an, bis Merkel sich dem Druck aus Bayern beugen und einen untauglichen Kompromiß eingehen mußte. Bereits auf dem CSU-Parteitag im November in München hatte die CDU-Chefin eine andere Variante erfolgreich getestet und die nationale Karte ausgespielt. Das hat sie von Kohl gelernt. Der pflegte in den späteren Jahren seiner Kanzlerschaft, als der nationale Flügel der CDU bis auf kleine Reste erledigt war, regelmäßig Patriotismus-Debatten anzukündigen. Geführt wurden sie nie. Wenn Merkel jetzt sagt, Reformen seien unmöglich, wenn man sein Land nicht liebe, spricht sie eine Binsenweisheit aus. Sie nutzt zudem die Tatsache, daß die Schröder-Regierung mit dem Versuch der Abschaffung des Nationalfeiertages einen schweren Fehler begangen hat. Entscheidender ist doch, daß sich die Führung der Union längst nicht mehr als Teil einer nationalen Elite versteht, sondern als Bestandteil einer nicht näher definierten europäisch-westlichen Wertegemeinschaft, der man um so überzeugender anhängen kann, je unverbindlicher sie ist. Vom deutschen Volk haben sich diese Politiker bereits weit entfernt. SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter traf ins Schwarze, als er die CDU-Chefin als „Verlegenheits-Patriotin“ bezeichnete.

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