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Auf Normalmaß zurückgestutzt

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Auf Normalmaß zurückgestutzt

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In den zurückliegenden Jahren waren alle Parkplätze rund um das CeBIT-Gelände schon in den Morgenstunden belegt. Wer nicht bis halb neun in Hannover eintraf, der mußte einen Fußweg von mehreren Kilometern einplanen. Zur CeBIT 2003 konnten Besucher auch entspannt um halb zwölf noch anreisen. Der Besuchereinbruch hat seine Gründe. Die Branche steckt in der Krise. Im Markt von Informationstechnologie und Telekommunikation brechen die Umsätze ein. Nur noch 6.500 Firmen stellen daher in diesem Jahr in Hannover aus. Das sind über ein Viertel weniger als im Rekordjahr 2001. Manche Hallen sind gänzlich leer. In einigen sind unbesetzte Plätze mit Stellwänden abgetrennt. Auf seinem Messerundgang am 12. März erklärte der Bundeskanzler trotzdem, daß es „für die Branche durchaus angebracht ist, optimistisch auf dieses und die kommenden Jahre zu schauen“. Die Innovationen, die auf der CeBIT 2003 präsentiert worden sind, waren weniger spektakulär als in der Vergangenheit. Die Vernetzung der diversen digitalen Produkte stand im Mittelpunkt vieler Messeauftritte. WLAN (Wireless Local Area Network) ermöglicht die kabellose Kommunikation sämtlicher Computerkomponenten in einem Haus oder Büro. Das erspart die aufwendige Verkabelung der Geräte. An verschiedenen sogenannten Hotspots können Laptop-Besitzer sich zum Beispiel mit Hochgeschwindigkeit ins Internet begeben. An den Berliner Flughäfen wird dies gerade ausgetestet. Oftmals steckt hinter der kabellosen Vernetzung die „Bluetooth“-Technik, die vor zwei Jahren vorgestellt worden ist. Erst jetzt kommen aber praktische Anwendungen auf den Markt. So sind alle besseren Mobiltelefone bereits mit „Bluetooth“ für den Datenaustausch ausgerüstet. Trotz immer besserer Geräte stagniert aber auch der Markt der Mobilfunkanbieter. E-Plus konnte im ersten Jahr mit der I-Mode-Technik nicht an die Erfolge der Japaner anknüpfen, wo diese Vorstufe zum UMTS-Standard bereits von 30 Millionen Kunden genutzt wird. Die Krise ist jedoch unübersehbar und macht sich auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Betroffen sind vor allem die Hersteller von Hardware. Hier ging die Beschäftigtenzahl um fünfzehn Prozent zurück. Insgesamt sind nach Gewerkschaftsangaben derzeit über 50.000 IT-Spezialisten arbeitslos. In diesen Zusammenhang gehört die Tatsache, daß sich Schröders „Green-Card“ als Flop erwiesen hat. Vor genau drei Jahren überraschte der Bundeskanzler mit seinem „Green Card“-Coup die Messebesucher. Sogenannte IT-Experten wollten damals einen sofortigen Bedarf von über 100.000 ausländischen Spezialisten ermittelt haben. Daraufhin wurden 10.000 Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen erteilt. Die Computer-Experten kamen vor allem aus Indien und Osteuropa. Siebzig Prozent von ihnen gingen nach Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Die zweite Tranche von 10.000 bewilligten Ausnahmeregelungen wurden nur noch zu einem Drittel ausgeschöpft. Auch die Weiterqualifizierung deutscher Arbeitnehmer ist ins Stocken geraten. Eine Mutter, die vor zehn Jahren ihr Informatikstudium beendet hat, kann heutzutage nicht ohne weiteres in das Berufsleben zurückkehren. Der technische Fortschritt macht eine umfangreiche Weiterbildung notwendig. Wer aber glaubt, daß Arbeitsamt würde einer IT-Fachkraft die entsprechende Hilfestellung geben, der sieht sich getäuscht. Im Bereich Informatik oder Informationstechnologie werden keine Weiterbildungen mehr durchgeführt. Statt dessen werden Computerspezialisten Umschulungen zu vergleichsweise simplen Bürotätigkeiten wie Sekretariatsstellen angeboten. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen: Die CeBIT-Sonderausgabe der Arbeitsamtszeitschrift Markt+Chance ziert das Bild einer junge Asiatin, daneben sitzt eine Mitarbeiterin des Arbeitsamts vor einem PC. Die Bildunterschrift lautet: „IT-Sonderteam der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung.“ Man könnte meinen, die Bundesregierung habe die ausländischen Experten ins Land geholt, um die ausufernde Arbeitslosigkeit besser verwalten zu können. Das IT-Sonderteam berät noch immer Arbeitgeber und -nehmer zum IT-Sofortprogramm der Bundesregierung. Doch heute drehen sich die Fragen vor allem um Aspekte wie die drohende Arbeitslosigkeit eines „Green Card“- Inhabers. Die Wiedervermittlung der ausländischen Computerexperten gilt als sehr schwierig. Natürlich beziehen diese Ausländer dann auch Arbeitslosengeld. Arbeitnehmervertreter und Arbeitgeber interpretieren diese Lage grundsätzlich verschieden. Zum Messeauftakt erklärte der zweite IG-Metall-Chef Jürgen Peters, er befürchte einen weiteren Arbeitsplatzabbau in der Branche. Er verlangte einen Stopp der „einfallslosen Politik des Personalabbaus“. Die Firmen sollten mit Arbeitszeitverkürzungen wie Teilzeitarbeit, „Sabbaticals“ oder Altersteilzeit kurzfristig reagieren. Die Gewerkschaften haben daher inzwischen echte Erfolge in den „New-Economy“-Unternehmen vorzuweisen. Mehr und mehr bekommen sie den Fuß in die Tür der ITK-Firmen. Früher galten diese flach strukturierten Unternehmen als „gewerkschaftsfreie Zone“. Jeder zweite in der Branche arbeitet inzwischen in einem Betrieb mit Betriebsrat. In der augenblicklichen Unsicherheit wenden sich die Mitarbeiter in diesen Firmen gezielt den Gewerkschaften zu, obwohl auch diese die „Green-Card“-Initiative unterstützt hatten. Allein im vergangenen Jahr sei es zur Gründung von einhundert neuen Betriebsräten gekommen. Bei den am Neuen Markt gelisteten Unternehmen verfügten vierzig Prozent über eine Arbeitnehmervertretung. Entsprechend viele Angestellte hätten einen Tarifvertrag, der von der IG Metall oder Verdi abgeschlossen worden sei. Auf der anderen Seite steht Bitkom, der Verband der Informationswirtschaft. Der Arbeitgeberzusammenschluß versucht, die Arbeitsbedingungen weiter zu flexibilisieren. So forderte Bitkom-Präsident Volker Jung die Aufhebung der zeitlichen Begrenzung der Arbeitszeit der IT-Spezialisten auf zehn Stunden. Es ist das bekannte Argument: Die internationale Konkurrenzfähigkeit stehe auf dem Spiel, wenn die Arbeitnehmerrechte nicht gelockert würden. Bis ein „vernünftiges Zuwanderungsgesetz“ vorliege, müßten die Aufenthaltsgenehmigungen verlängert werden. Obwohl der Bitkom-Präsident auch für dieses Jahr 10.000 weitere wegfallende Arbeitsplätze prognostiziert, fordert er eine vereinfachte Einwanderung. Die Stoßrichtung der Unternehmerseite ist nach wie vor dieselbe. Durch ein Überangebot auf dem Arbeitsmarkt möchten sich die Arbeitgeber Spielraum bei Lohnverhandlungen mit den ursprünglich fürstlich bezahlten Computerexperten verschaffen. Insgesamt ist der Umsatz der Branche 2002 um zwei Prozent auf 132 Milliarden Euro zurückgegangen. Weltgrößte Computermesse CeBIT: 6.500 Aussteller – 20 Prozent weniger – als 2002 zeigten bis 19. März keine echten Innovationen

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