Kyrillische Buchstaben erschrecken die Besucher. Auch dem des Russi-schen Unkundigen signalisieren sie auf Anhieb, daß es sich um militärische Losungen handelt. Martialisch sind auch die Wandzeichnungen der stets einsatzbereiten Sowjet-Truppen. Das Landesfunkhaus des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) steht treu zu seiner Vergangenheit. Denn er ist in einen sorgfältig restaurierten ehemaligen Kasernenkomplex der früheren Westgruppe der Truppen der Sowjetunion (WGT) im Dresdner Norden eingezogen. Hier hatte einst eine sowjetische Gardepanzerdivision fast 50 Jahre ihr Zuhause. Noch am Tag der Wiedervereinigung beherbergte Sachsen mit 93.500 russischer Soldaten immerhin 17,2 Prozent der gesamten WGT. Heute erinnern an diese Epoche in der Landeshauptstadt noch Soldatengräber und ein von dem Bildhauer Otto Rost eigentlich für den deutschen „Endsieg“ entworfenes Bronzedenkmal vor dem Armeemuseum. Es stellt zwei das „Banner der Revolution“ schwingende Soldaten dar und stand zu DDR-Zeiten auf dem damaligen Platz der Einheit (Albertplatz). Die eigentliche Hinterlassenschaft der Besatzer waren aber defekte Tanklager, kontaminierte Böden, marode Kasernen und von Munition verseuchte Übungsplätze. Nach dem bis Ende 1994 erfolgten vollständigen Abzug der Russen aus Deutschland waren die Kasernen und Übungsplätze an den Bund übergegangen. Dieser bot den neuen Ländern die Liegenschaften an. Sachsen, Brandenburg und Thüringen machten von diesem Angebot Gebrauch. Bereits Ende November 1993 hatte der Freistaat Sachsen ein entsprechendes Verwaltungsabkommen mit dem Bund abgeschlossen. 184 Objekte mit einer Gesamtfläche von rund 17.600 Hektar – rund ein Prozent der Landesfläche – wurden ihm übertragen. Davon wurden bis Ende vergangenen Jahres 106 Objekte mit einer Fläche von knapp 15.000 Hektar zum Großteil an private Käufer, aber auch an Kommunen verkauft. In Großenhain erwarb die Kommune beispielsweise 40 Hektar eines ehemaligen russischen Flugplatzes, um hier ein Gewerbegebiet auszuweisen. Das ist zur Zeit allerdings nur zu einem Drittel ausgelastet. Die Stadt Meißen dagegen sucht noch immer händeringend einen Käufer für das ehemalige Kasernengelände Bohnitzsch. Ursprünglich sollte auf dem 42 Hektar großen Gelände ein Wohngebiet entstehen. Inzwischen wird ein Gewerbepark favorisiert. Vor all dem steht aber ein Umweltgutachten, das Auskunft über die Schadstoffbelastung des Militärgeländes geben soll. Militärische Altlasten im Boden gelten als hochgefährlich und ihre Entsorgung als problematisch und kostenintensiv. In fast allen Fällen sind Böden und Grundwasser durch Mineralöle verunreinigt. Auf den ehemaligen Truppenübungsplätzen, die vielfach in ungebrochener Kontinuität seit Kaisers Zeiten bis zum Ende der DDR genutzt wurden, waren enorme Belastungen durch Spreng- und Explosivstoffe sowie chemische Kampfstoffe bzw. deren Abbauprodukte zu erwarten. Schon bei der Ersterfassung von 38 mitteldeutschen Liegenschaften der Westgruppe kurz nach deren Abzug wurden 323 Altverdachtsflächen ermittelt. Treib- und Schmierstoffe sowie wilde Müllablagerungen bildeten dabei die Schwerpunkte. Ähnliche Ergebnisse wurden später auf dem Gelände der übrigen Liegenschaften festgestellt. Allein auf dem Ex-Militärflugplatz Großenhain wurden fast zehn Millionen Euro für die Entgiftung des Bodens aufgewendet. In Zeithain liegen die geschätzten Sanierungskosten bei 25 Millionen Euro. Nach Darstellung des sächsischen Finanzministeriums befanden sich auf den vom Freistaat übernommenen WGT-Liegenschaften 7.000 Altlastenverdachtsfälle. Schätzungsweise 38 Millionen Euro wurden bzw. werden noch für Maßnahmen der Gefahrenerforschung und -beseitigung ausgegeben. Für die Vernichtung von Munition wird die Zahl von rund 3,8 Millionen Euro genannt. Für die Verwertung und Sanierung der übernommenen Grundstücke rechnet Sachsen mit Kofinanzierungen in Höhe von 9,5 Millionen Euro. Dazu kommen rund 5,1 Millionen Euro für die Rückabwicklung von gescheiterten Verkäufen und 10,2 Millionen Euro, die als laufende Kosten für noch nicht abgestoßene Militärliegenschaften anfallen. In Thüringen wurde inzwischen rund die Hälfte der belasteten Militärflächen von Munition geräumt. Insgesamt werden die Kosten zur Beseitigung der Umweltschäden auf den 7.500 Hektar auf 100 Millionen Euro geschätzt. Auch hier sollen die entstandenen Kosten durch den Verkauf von Bauland sowie land- und forstwirtschaftlicher Flächen refinanziert werden. Derzeit sind in Sachsen noch 41 Objekte mit einer Fläche von 419 Hektar im Angebot. Dazu gehören zwei Kasernen in Riesa, die Kaserne Dresden-Nord, die „Wäscherei“ auf der Stauffenbergallee in Dresden, Kasernen in Königsbrück und Oschatz, das Werk „Motor“ in Leipzig und der Flugplatz Oschatz. Trotzdem hat sich für Sachsen wie auch für Thüringen die Übernahme der Flächen und Immobilien gelohnt. Nach Abzug aller Kosten und Risiken bleibt nach den Berechnungen des Finanzministeriums ein Verwertungserlös in zweistelliger Millionenhöhe übrig. Der Umzug des MDR in eine ehemals sowjetische Kaserne gilt der Staatsregierung als erstklassiger Vermarktungserfolg. Aber auch Siemens, das Verlagshaus Gruner & Jahr, das Berufsbildungswerk und die Berufsakademie konnten auf Liegenschaften und in Gebäuden, die früher von den russischen Besatzungstruppen genutzt wurden, angesiedelt werden. Eine Anzahl sächsischer Behörden zog ebenfalls in einstige Kasernengebäude: das Regierungspräsidium Dresden, das Landesamt für Finanzen, das Sächsische Staatsministerium der Justiz, das Amtsgericht und Grundbuchamt Dresden sowie die Justizvollzugsanstalt Dresden. Einstige Truppenübungsplätze wie der von Königsbrück wurden an die Stiftung Wald für Sachsen zum Zweck des Naturschutzes und der Landschaftspflege übertragen.