HASSFURT. Das Amtsgericht Haßfurt hat den als „Habeck-Rentner“ bekannt gewordenen Stefan Niehoff zu einer Geldstrafe in Höhe von 825 Euro verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts hat sich der 64jährige der „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen“ schuldig gemacht. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT kündigte Niehoff an, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
In dem Prozeß wurden ihm sechs Beiträge auf der Plattform X zur Last gelegt. Das „Schwachkopf-Meme“ von Robert Habeck gehörte nicht dazu – die Ermittlungen in diesem Fall wurden eingestellt. Statt dessen warf die Staatsanwaltschaft Niehoff folgendes vor:
Sechs Anklagepunkte
- Niehoff soll per Retweet-Funktion den Tweet eines anderen Nutzers geteilt haben, auf dem ein Schwarz-Weiß-Bild zu sehen sei, das mehrere Geistliche mit zum Hitlergruß ausgestrecktem rechtem Arm zeige. Versehen sei das Bild mit dem Kommentar: „Ich finde die Kirche hat immer eine ehrenhafte Haltung zu politischen Systemen.“
- Niehoff soll einen Post per Retweet verbreitet haben, auf dem die Bildmontage einer vorgeblichen Titelseite des Spiegel zu sehen sei. Dort sei das Gesicht der Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, auf einen Körper montiert, dessen rechter Arm zum Hitlergruß ausgestreckt sei. Daneben stehe „Das grüne Reich“ und „die Machtergreifung“. Der zugehörige Tweettext soll gelautet haben: „Ist das schon Nationalsozialismus 2.0, will die in Zukunft Lager für Gegner bauen? Ist die vollkommen irre? Ihr seid (sic) komplett am Ende !!“
- Niehoff soll auf einen Tweet, dessen Inhalt aus der Anklageschrift nicht hervorgeht, mit einer Porträtaufnahme von Adolf Hitler und dem Kommentar „So eins?“ geantwortet haben.
- Niehoff soll ein Schwarz-Weiß-Bild retweetet haben, das Hitler beim Handschlag mit einem Geistlichen zeige, hinter dem mehrere Männer in Wehrmachtsuniform die Arme zum Hitlergruß emporstreckten.
- Niehoff soll eine Zeichnung retweetet haben, auf der auf der linken Seite das Wort „Then“ (damals) stehe, darunter ein Mann in brauner Uniform mit Hakenkreuz-Armbinde und Schlagstock, auf der rechten Seite unter dem Wort „Now“ ein Mann mit schwarzem Hoodie mit der Aufschrift „ANTIFA“ und einer Armbinde mit dem Antifa-Symbol sowie einem Schlagstock in der Hand, zu deren Füßen jeweils eine Person mit einer abwehrenden Handbewegung und einem T-Shirt mit der Rückenaufschrift „FREE SPEECH“ liege.
- Niehoff soll einen Tweet retweetet haben, der eine Collage aus einem Bild der Satirikerin Sarah Bosetti zeige, unter dem der Text „ZDF, 2021: Der Ungeimpfte ist Blinddarm, der im strengeren Sinne für das Überleben des Gesamtkomplexes nicht essenziell ist“ stehen soll. Daneben soll das Bild des KZ-Arztes Fritz Klein als Angeklagter im Bergen-Belsen-Prozess abgebildet sein, unter dem der folgende Text zu sehen sei: „Ich schneide einen eiternden Blinddarm heraus, die Juden sind der vereiterte Blinddarm im Körper Europas.“
Richter: „Werden solche Fälle weiterhin verfolgen“
Die Staatsanwaltschaft sah in den ersten fünf Beiträgen den Tatbestand der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen erfüllt, im sechsten Beitrag den Tatbestand der Volksverhetzung. Allerdings einigten sich Staatsanwaltschaft und Richter zu Beginn der Verhandlung darauf, den fünften und sechsten Anklagepunkt fallen zu lassen.
In der Urteilsbegründung führte Richter Patrick Keller aus: „Wir sind nicht die, die Gesetze erlassen. Ihnen muß klar sein, daß wir Gesetze auch nicht immer gut finden.“ Den Einwand der Verteidigung, Niehoff habe die Tweets in kritischer Absicht verbreitet und nicht, weil er dem Nationalsozialismus positiv gegenüberstehe, ließ Keller nicht gelten. Entscheidend sei, ob die „kritische Verwendung auf Anhieb zu erkennen“ sei. Dies sei hier nicht der Fall.
Zudem betonte der Richter: „Mir ist klar, daß unser Internet voll ist mit sowas und wir dem nicht Herr werden. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Wir werden solche Fälle weiterhin verfolgen.“ (dh)