BERLIN. Aus einem internen Dokument des SPD-geführten Innenministeriums geht offenbar hervor, daß Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen rechtlich möglich sind. Das Papier, das der Bild-Zeitung vorliegt, widerspricht damit der Behauptung mehrerer hochrangiger Sozialdemokraten, wonach dies juristisch nicht machbar sei. In dem Dokument heißt es, daß „die Europäische Kommission im Dezember 2024 im Zusammenhang mit hybriden Bedrohungen die Rechtsauffassung vertreten hat, daß Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union auch anwendbar erscheint in Fällen eines durch einen Drittstaat gesteuerten Zustroms“.
Hintergrund ist das am Samstag von Union und SPD vorgestellte Sondierungspapier, in dem es heißt, die kommende Bundesregierung werde „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen“. Seitdem läuft eine öffentliche Debatte über die Interpretation dieser Formulierung und über die praktische Machbarkeit von Abweisungen an den deutschen Außengrenzen.
Asylzahlen sinken, aber auf hohem Niveau
Der Staatsrechter Daniel Thym sagte gegenüber der Bild-Zeitung: „Eine Berufung auf die Notlageklausel ist schwierig, aber theoretisch machbar.“ Es sei eine „politische Entscheidung“ der kommenden Bundesregierung, ob sie das juristische Risiko eingehen möchte oder nicht.
Die offiziellen Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD sollen am Mittwoch beginnen.
Im vergangenen Jahr haben in Deutschland nach Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge 229.751 Personen einen Asylerstantrag gestellt und 21.194 Personen einen Folgeantrag. Das entspricht einem Rückgang um 30,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Diese Zahlen beinhalten jedoch nicht die eingereisten Ukrainer, da diese keinen Asylantrag stellen müssen. (st)