Beim Blick in den Bundestag fällt dem beobachtenden Bürger häufig gähnende Leere auf. Faul sind die Abgeordneten deshalb nicht zwingend – nur eben nicht im Plenum. Die eigentliche Arbeit des Parlaments findet abseits der Kameras statt: in den Ausschüssen. Sie bereiten Gesetzesvorhaben vor, kontrollieren Ministerien, laden Sachverständige – und werden von ihren Vorsitzenden geleitet. Diese entscheiden, was auf die Tagesordnung kommt, wer spricht, wer schweigt.
In der neuen Wahlperiode wird es 24 ständige Ausschüsse geben. Ihre Leitung wird am kommenden Mittwoch gewählt. Grundlage der Verteilung ist das Sainte-Laguë-Verfahren – ein mathematisches Proporzmodell, das den Fraktionen entsprechend ihrer Größe nacheinander die Auswahl erlaubt. Die stärkste Fraktion beginnt, danach folgen die anderen. Die eigentliche Wahl erfolgt anschließend im jeweiligen Ausschuß – und kann dort blockiert werden.
AfD soll in sechs Ausschüssen Aufsicht führen
Den Auftakt macht die Unionsfraktion, die als stärkste Kraft sieben Ausschüsse übernimmt – darunter die für Auswärtiges, Wirtschaft, Verteidigung, Landwirtschaft, Tourismus, Menschenrechte und Digitales. Die SPD folgt mit fünf Gremien, unter anderem Gesundheit, Bildung, Forschung, Sport sowie Wahlprüfung.
Bündnis 90/Die Grünen besetzen drei Ausschüsse: Verkehr, Kultur und Medien sowie Europäische Union. Die Linke leitet den Umwelt- sowie den Bauausschuß. Die AfD schließlich hat nach dem Verfahren Anspruch auf sechs Ausschüsse – und entschied sich für mehrere Schlüsselressorts: Inneres, Finanzen, Haushalt, Soziales, Recht und Petitionen.
Ausschüsse könnten kommissarisch geleitet werden
Besonders der Haushaltsausschuß gilt als prestigeträchtig. Traditionell wird sein Vorsitz der Opposition überlassen – aus dem einfachen Grund, daß die Kanzlerfraktion sich nicht selbst kontrollieren soll. In der neuen Konstellation würde dieses Amt der AfD zufallen. Wie die JUNGE FREIHEIT aus Fraktionskreisen hört, soll dafür die Abgeordnete Ulrike Schielke-Ziesing nominiert werden – langjährige Haushaltspolitikerin aus Mecklenburg-Vorpommern.

Ob sie den Posten tatsächlich übernimmt, ist allerdings unklar. Schon in der vergangenen Wahlperiode verweigerten die übrigen Fraktionen sämtlichen AfD-Kandidaten die Zustimmung – mit der Folge, daß Ausschüsse über Monate führungslos oder kommissarisch geleitet wurden. Eine Änderung dieser Praxis ist nicht erkennbar. Auch deshalb nicht, weil das Bundesverfassungsgericht eine Klage der AfD gegen dieses Vorgehen durch die anderen Fraktionen ablehnte. Es entschied: Daß die Afd zwar ein Vorschlagsrecht habe, ihre Kandidaten aber selbst eine Mehrheit hinter sich bringen müssen.
Die AfD wie jede andere Oppositionspartei behandeln?
Jens Spahn, heute Vorsitzender der Unionsfraktion, hatte im Deutschlandfunk angeregt, man solle mit der AfD „umgehen wie mit jeder anderen Oppositionspartei auch“. Kurz darauf nahm er die Aussage wieder ein Stück weit zurück.
Für die AfD bleibt der kommende Mittwoch ein Lackmustest: zwischen formellem Anspruch und politischer Realität. Der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, Bernd Baumann, nannte den Vorgang eine bereits eine „Farce“. Die Liste der Ausschüsse ist geschrieben. Wer sie tatsächlich führen wird, ist noch offen.