BERLIN. Die AfD-Fraktion im Bundestag reicht am Montag Klage und einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht wegen der Einberufung des alten Bundestages zur Verabschiedung von Verfassungsänderungen ein. Das teilte Stephan Brandner, einer der Parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion, mit. Bereits am Freitag hatte die Fraktion Bundestagspräsidentin Bärbel Bas mittels eines Konfrontationsschreibens mit der Einleitung eines Verfahrens gedroht, sollte sie die Einberufung nicht stoppen.
Bas hatte am Montag im ARD-Morgenmagazin betont, daß sie nach ihrer Einschätzung zur Einberufung der Sitzung verpflichtet sei. Entsprechend ist nicht davon auszugehen, daß sie die von der AfD beklagten Rechtsverletzungen noch bis zum heutigen Tag „abstellt“, wie es die Fraktion verlangt hat. Die Sitzung des Bundestags soll am Donnerstag stattfinden. Anschließend sollen die Vorschläge von Union und SPD für Änderungen im Grundgesetz an den Haushaltsausschuß überwiesen werden.
AfD will, daß neuer Bundestag einberufen wird
Die AfD ist grundsätzlich der Ansicht, daß der alte Bundestag nach seiner Auflösung keine wesentlichen Fragen mehr behandeln darf, wozu auch die angestrebte Änderung des Grundgesetzes gehöre. Vielmehr habe die Bundestagspräsidentin „eine Pflicht zur unverzüglichen Einberufung des ’neuen‘ Bundestages“.
Die Fraktion konstatiert aber auch, daß selbst einfache formale Voraussetzungen für die Einberufung nicht erfüllt seien. Laut Artikel 39 Absatz 3 des Grundgesetzes muß der Bundestagspräsident eine Sitzung einberufen, wenn „ein Drittel der Mitglieder“ dies verlangen. Die AfD behauptet, daß im Gegensatz dazu nur die Fraktionen SPD und CDU/CSU einen entsprechenden Antrag eingereicht hätten.
Brandner: Bas untergräbt Vertrauen in parlamentarische Prozesse
Diesen Fraktionen gehören zwar mehr als ein Drittel der Bundestagsabgeordneten an. Allerdings betont die Kanzlei Höcker für die AfD, daß es nicht ausreiche, wenn die Fraktionen den Antrag unterschrieben. Vielmehr müßten das die Abgeordneten persönlich tun. Dies sei jedoch nicht geschehen. Bas formulierte am Montag im Morgenmagazin, SPD und Union bildeten mehr als ein Drittel der Abgeordneten ab, „und insofern bin ich verpflichtet, diese Sitzung einzuberufen“. Da gebe es keinen Spielraum.
AfD-Fraktionsgeschäftsführer Brandner monierte am Montag mit Blick auf Bas: „Sie hat bereits formell fehlerhaft einberufen, ignoriert mit ihrer Entscheidung den Wählerwillen, der sich bei der Bundestagswahl vor zwei Wochen gezeigt hat, und untergräbt damit weiter das Vertrauen in die parlamentarischen Prozesse.“ Sämtliche juristische Argumente, der gesunde Menschenverstand und die politischen Umstände sprächen für die Auffassung der AfD.
Auch einzelne Abgeordnete klagen
Am Freitag hatte auch die fraktionslose Abgeordnete Joana Cotar, die früher zur AfD gehörte, Klage angekündigt. „Wir Abgeordnete sollen über diese Milliardenbeträge im Schweinsgalopp entscheiden“, kritisierte sie. „Dieses Vorgehen verletzt die Rechte der Mitglieder des deutschen Bundestages, da uns die Zeit fehlt, ordnungsgemäß über die Vorschläge zu beraten.
Cotar kooperiert bei ihrer Klage mit Marcel Luthe, einem früheren Abgeordneten des Berliner Abgeordnetenhauses. Luthe teilte am Montag mit, daß die Klage inzwischen ans Bundesverfassungsgericht übersendet worden sei. Auch der AfD-Abgeordnete Christian Wirth hatte angekündigt, Klage für sich selbst und weitere Fraktionskollegen zu erheben. Er warf Union und SPD „einen Mißbrauch der Verfassungslegalität zu Lasten der Verfassungslegitimität“ vor.
Frist für den #Bundestag war bis heute um 12:00 Uhr den Verfassungsbruch mit Ansage – #Merzschulden – abzusagen.
Reagiert hat Frau Bas nicht, so dass die von unserem Team für @JoanaCotar gefertigte Organklage seit 12:04 Uhr beim #Bundesverfassungsgericht liegt.
Stay tuned. pic.twitter.com/Vh9ag6G9sJ
— Marcel Luthe – Good Governance (@GGLuthe) March 10, 2025
Grüne wollen nicht zustimmen
Christ- und Sozialdemokraten hatten in der vergangenen Woche angekündigt, ein „Sondervermögen“ für die Infrastruktur im Grundgesetz verankern und die Schuldenbremse in der Verfassung ändern zu wollen. Dafür braucht es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Im neu gewählten Bundestag ist diese schwerer zu erlangen als im vorherigen Parlament, da AfD und Linkspartei nun gemeinsam über eine Sperrminorität von mehr als einem Drittel der Sitze verfügen.
Allerdings ist auch unklar, ob es im alten Bundestag eine Mehrheit für das Vorhaben gibt. Die Grünen kündigten am Montag an, dem Vorstoß von Union und SPD nicht zuzustimmen. Der neue Bundestag sei für „Entscheidungen solcher Tragweite“ am besten geeignet. Derweil kritisiert die FDP das „Sondervermögen“ Infrastruktur und fordert anstatt einer Aufweichung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben einen Verteidigungsfonds. (ser)