BERLIN. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) entlassen. „Zu oft wurden die nötigen Kompromisse übertönt durch öffentlich inszenierten Streit und laute ideologische Forderungen. Zu oft hat der Bundesminister Gesetze sachfremd blockiert. Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen“, begründete Scholz den Koalitionsbruch.
„Es gibt keine Vertrauensbasis“, summierte der Kanzler. So sei Regierungshandeln unmöglich. Wer in eine Regierung eintrete, der müsse „seriös und verantwortungsvoll handeln“, führte der SPD-Politiker aus. Durch die Blume gesprochen: Lindner ist in den Augen Scholz‘ unseriös, unverantwortlich und nicht vertrauenswürdig. Dem FDP-Chef gehe es um die eigene Klientel, um das kurzfristige Überleben der eigenen Partei.
Nun brauche es „eine handlungsfähige Regierung, die die Kraft hat, die nötigen Entscheidungen für unser Land zu treffen.“ Darum ginge es Scholz in den vergangenen drei Jahren, „und darum geht es mir jetzt“. Dann berichtete der Kanzler von den vergangenen Stunden: „Ich habe dem Koalitionspartner von der FDP heute Mittag nochmal ein umfassendes Angebot vorgelegt, mit dem wir die Lücke im Bundeshaushalt schließen können, ohne unser Land ins Chaos zu stürzen.“
Wir brauchen eine handlungsfähige Regierung, die die Kraft hat, die nötigen Entscheidungen für unser Land zu treffen.
Darum ging es mir in den vergangenen drei Jahren. Darum geht es mir jetzt. pic.twitter.com/0lYfK4mS5t
— Bundeskanzler Olaf Scholz (@Bundeskanzler) November 6, 2024
Kanzler beschuldigt Finanzminister
Darin wären auch Vorschläge der FDP aufgegriffen worden. Es brauche nun jedoch „größeren finanziellen Spielraum“. Laut Scholz hapere es am Koalitionspartner: „Ich mußte abermals feststellen: Der Bundesfinanzminister zeigt keinerlei Bereitschaft, dieses Angebot zum Wohle unseres Landes in der Bundesregierung umzusetzen.“
Konkret habe Scholz vier Vorschläge unterbreitet:
- Die Netzentgelte koppeln, um die Energiekosten für deutsche Unternehmen zu senken.
- Arbeitsplätze in der Automobilindustrie sichern.
- Eine Investitionsprämie und weitere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten einführen.
- Die Unterstützung für die Ukraine ausbauen.
Neuwahlen bereits im März möglich
Dies habe die FDP abgelehnt. „Ein solches Verhalten will ich unserem Land nicht mehr länger zumuten“, sagte Scholz dann mit Blick auf seinen frisch entlassenden Finanzminister. „Liebe Mitbürger, ich hätte Ihnen diese schwierige Entscheidung gerne erspart. Erst recht in Zeiten wie diesen, in denen die Unsicherheit wächst.“
Laut Welt-Journalist Alexander soll Scholz die Vertrauensfrage erst im Januar stellen. Dies bestätigte auch die ARD. Wenn der Bundestag die Vertrauensfrage mit Nein beantwortet, hat der Kanzler keine Mehrheit mehr und kann dem Bundespräsidenten vorschlagen, das Parlament aufzulösen. Dann müssen binnen 60 Tagen Neuwahlen stattfinden.
Scholz will am 15. Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen. https://t.co/WmSuBmon1P
— Robin Alexander (@robinalexander_) November 6, 2024
Scholz kam FDP zuvor
Kurz vor dem Koalitionsbruch soll der Finanzminister dem Kanzler Neuwahlen vorgeschlagen haben. Dies lehnte er ab. Wie die Bild-Zeitung berichtet, hätten die Freien Demokraten ihren Austritt für Donnerstag vorbereitet. Die Partei habe alle ihre Minister abziehen wollen.
Scholz‘ Entscheidung soll gegen 20:30 Uhr gefallen sein. Zuerst berichtete der Welt-Journalist Robin Alexander. Die Bild-Zeitung und die SPD bestätigten den Bericht kurz darauf. Demnach kam Scholz einem Koalitionsaustritt der FDP zuvor.
Die Haushaltsexperten von SPD, Grünen und FDP hatten zuvor die Beratungen für den Etat 2025 ohne Ergebnis vorzeitig beendet. Wie die Bild-Zeitung berichtet, hatten die Haushälter der drei Fraktionen Änderungsanträge für einzelne Minister-Etats im Haushalt 2025 auf Eis gelegt. Einer der Beteiligten begründete den Abbruch demnach so: „Weil keiner mehr weiß, wie es weitergeht.“ (sv)