HANNOVER. Die niedersächsische Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) hat einen Beschlußvorschlag für die Justizministerkonferenz der Länder vorgelegt, der den Strafverfolgern umfassendere Möglichkeiten gibt, „Politikerbeleidigungen“ zu verfolgen. Das berichtet das juristische Fachmedium Legal Tribune Online.
Demnach soll aus dem Strafgesetzbuch die Bedingung gelöscht werden, daß die Tat geeignet sei, das „öffentliche Wirken“ des Politikers „erheblich zu erschweren“. Den entsprechenden Paragraphen 188, umgangssprachlich auch „Majestätsbeleidigungs-Paragraph“ genannt, hatte die CDU/CSU-SPD-Koalition unter Angela Merkel erst 2021 erlassen. Seitdem werden Beleidigungen gegen Politiker deutlich stärker bestraft als gegen normale Bürger. Höchststrafe ist drei statt zwei Jahre.
Höchststrafe für „Politikerbeleidigung“ verdreifachen
Die nun vorgeschlagene Änderung würde es der Justiz erleichtern, gegen „Politikerbeleidigungen“ umfassender vorzugehen, und die Strafen würden sich weiter erhöhen. Denn bisher gilt ein Jahr Gefängnis als Höchststrafe, wenn nicht nachgewiesen werden kann, daß die Tat die Tätigkeit des Politikers „erheblich erschwert“. Zudem könnte die Justiz auch in mehr Fällen ohne erstattete Anzeige ermitteln.
Niedersachsens Justizministerin Wahlmann begründete gegenüber der Welt ihren Vorstoß damit, daß es für sie „unerträglich“ sei, „welch widerlichen Haßkommentaren“ Politiker, auch auf kommunaler Ebene, ausgesetzt seien. Außerdem: „Wer sich in besonderer Weise für das Gemeinwesen einsetzt, dem soll auch der besondere Schutz des Gemeinwesens zugutekommen.“ Die bereits vorhandenen Regeln hätten sich „als nicht hinreichend effektiv erwiesen“.
Hausdurchsuchung wegen Satire
Allerdings wird die Schwelle, gegen mutmaßliche Beleidiger vorzugehen, bereits jetzt immer weiter gesenkt. Gerichtlich verfügte Hausdurchsuchungen gab es zuletzt, weil ein pensionierter Soldat eine Satire teilte, in dem unter dem Bild des Grünen-Spitzenkandidaten Robert Habeck „Schwachkopf Professional“ stand und weil eine Frau CDU-Chef Friedrich Merz als „Suffkopf“ beschimpfte. Ob damit das politische Wirken der beiden tatsächlich „erheblich erschwert“ wurde, wird der Rechtsweg zeigen.
Vom neuen Paragraphen 188 machen Politiker regen Gebrauch. Allein bis August zeigte Habeck 805 Menschen an, Außenministerin Annalena Baerbock folgt dahinter mit 513 Strafanträgen. Merz hält die Zahl der von ihm angestrengten Verfahren wegen „Politikerbeleidigung“ geheim.
Verfassungsrechtler mit ätzender Kritik
Kritik an einer weiteren Verschärfung kommt vom Augsburger Verfassungsrechtler Josef Franz Lindner. Auf X schrieb er: „‚Majestätsbeleidigung‘ soll weiter verschärft werden: Statt die 2021 zur Eindämmung der Kritiker von Coronamaßnahmen eingeführte Strafverschärfung für Politikerbeleidigung (§ 188 I StGB, bis zu drei Jahren Haft!!) ersatzlos zu streichen, legt die Politik ihrem Repressionsfuror noch mal einen nach.“
Der Experte stellt fest, die Verschärfung sei „mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes nicht mehr vereinbar, da der rechtfertigende Grund für die Ungleichbehandlung von Politikern und ‚normalen‘ Bürgern beseitigt wird“. Die Ehre von Politikern sei „nicht schutzwürdiger als die aller Bürger“. (fh)