BERLIN. Die freie Journalistin Aya Velázquez hat auf dem Kurznachrichtendienst X die gesamten Protokolle des Corona-Krisenstabs des Robert-Koch-Instituts (RKI) unzensiert veröffentlicht. Die Daten stammen laut Velázquez von einem Informanten, der früher für die Bundesbehörde gearbeitet habe.
„Auch im RKI gab es in den letzten vier Jahren Menschen, die auf der Seite der Bürger standen und mit dem Handeln ihrer Behörde, den widersprüchlichen Empfehlungen an die Politik und dem Abnicken politischer Willkürentscheidungen nicht einverstanden waren“, schrieb Velázquez. Die Veröffentlichung der Daten sei daher auch „als eine Handreichung, als eine Geste der Versöhnung zu verstehen“, betonte die Journalistin.
Wir beenden das Drama um die Schwärzungen der #RKIProtokolle an dieser Stelle. Hier kommt der komplette Datensatz aller Sitzungsprotokolle des @rki_de-Krisenstabs, von 2020 bis 2023, ungeschwärzt, inklusive 10 GB Zusatzmaterial:https://t.co/EAhOHF4lSo
Ein/e Whistleblower/in,… pic.twitter.com/lledRjeyCM
— Aya Velázquez (@aya_velazquez) July 23, 2024
„Corona-Politik basierte nicht auf wissenschaftlichen Abwägungen“
Velázquez gab an, die rund 4.000 Seiten starken Protokolle bereits gelesen zu haben. „Die RKI-Protokolle beweisen: Unsere Corona-Politik basierte nicht auf rationalen, wissenschaftlichen Abwägungen“, kritisierte die Journalistin. „Zahlreiche politische Entscheidungen, wie etwa 2G, die einrichtungsbezogene und geplante allgemeine Impfpflicht oder die Impfung von Kindern waren rein politische Entscheidungen, für die das RKI als weisungsgebundene Behörde eine vermeintlich wissenschaftliche Legitimation lieferte.“
Bisher war nur ein Teil der Protokolle mit zahlreichen Schwärzungen im März vom Online-Magazin „multipolar“ veröffentlicht worden, nachdem es beim Gesundheitsministerium auf Herausgabe der brisanten Dokumente geklagt hatte. Das Ministerium und das RKI hatten die Zensur mit dem Schutz der Mitarbeiter, die namentlich erwähnt werden, begründet.
RKI-Protokolle: Massive Zweifel an FFP2-Masken
Bereits damals kamen zahlreiche Widersprüche der Pandemiepolitik der Bundesregierung an die Öffentlichkeit. Mit Blick auf die Maskenpflicht schrieben die Verantwortlichen beim RKI, es gebe „keine Evidenz für die Nutzung von FFP2-Masken außerhalb des Arbeitsschutzes, dies könnte auch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden“. Der Nutzen der Masken „sollte auf Arbeitsschutz von Personen, die mit infektiösen Patienten arbeiten, begrenzt bleiben“. Ungeachtet dieser Einschätzung führten mehrere Bundesländer – darunter Baden-Württemberg und Berlin – eine allgemeine FFP2-Maskenpflicht für alle ein.
Auch zur FFP-2-Maskenpflicht an Schulen äußerten sich die RKI-Mitarbeiter kritisch. Im Protokoll vom 29. Dezember heißt es dazu: „Bisher gibt es keine überzeugenden Hinweise, daß FFP-2 besser ist, schon gar nicht bei Kindern.“ Die am 24. November 2021 bundesweit eingeführte 3G-Regel, wonach nur Geimpfte, Getestete und Genesene weiterhin am öffentlichen Leben teilnehmen durften, wurde intern als „fachlich nicht begründbar“ eingestuft.
Belog Spahn die Öffentlichkeit bewußt?
Aus den nun veröffentlichten Dokumenten geht unter anderem hervor, daß das RKI die Behauptung, es gebe eine „Pandemie der Ungeimpften“, intern deutlich zurückgewiesen hatte. In einem Eintrag vom 5. November 2021 heißt es: „In den Medien wird von einer Pandemie der Ungeimpften gesprochen. Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei.“ Weiter heißt es, der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verbreite diese Falschbehauptung „vermutlich bewußt“ auf allen Pressekonferenzen. Deswegen könnten diese Behauptungen „eher nicht korrigiert werden“.
Spahn hatte immer wieder von einer „Pandemie der Ungeimpften“ gesprochen. Auch zahlreiche große Medien und Politiker übernahmen die Behauptung und forderten zum Teil drastische Einschränkungen der Grundrechte für Nichtgeimpfte.
Wissenschaftler widersprechen Politikern
Zudem geht aus den neuen Datensätzen hervor, daß die Wissenschaftler des RKI der Bundesregierung bei der Einschätzung unterschiedlicher Risiken für Geimpfte und Genesene ausdrücklich widersprachen. Im Protokoll vom 3. Januar heißt es: „Breiter Abstimmungsprozeß mit verschiedenen Fachgremien führte zu anderem Ergebnis als Beschluß der politischen Gremien; sollte bei Veröffentlichung zukünftig klar kommuniziert werden, daß es nicht mehr um rein fachliche Empfehlung des RKI“, sondern um Beschlüsse der politischen Ebene handele.
Es sollten „irgendwelche Privilegien“ für Geimpfte geschaffen werden
Auch zur Frage, wie Entscheidungen über Ausnahmeregelungen von den staatlichen Maßnahmen für Geimpfte zustande kamen, gibt es nun neue Hinweise. So heißt es im Protokoll vom 7. Januar 2022 zu Einreisebestimmungen nach Deutschland: „BMG (Anmerkung der Redaktion: Bundesministerium der Gesundheit) möchten vermutlich Ausnahmen für Geboosterte für 3 Monate. Geimpfte müssen irgendwelche Privilegien erhalten, dies muss in Einreiseregelung enthalten sein.“
(ho)