BERLIN. Die Linke hat erleichtert auf die Ankündigung Sahra Wagenknechts reagiert, nach Ablauf der Legislaturperiode nicht mehr für die Linke zu kandidieren. „Reisende soll man nicht aufhalten“, sagte die Partei-Vizechefin und Berliner Landesvorsitzende Katina Schubert der Deutschen Presse-Agentur (dpa). „Politik macht sie schon lange nicht mehr für die Linke“. Wagenknecht „arbeite schon lange auf eigene Rechnung“, ihr ganzes Geschäftsmodell sei, „gegen die Partei zu hetzen, ihr ganzes Buch basiert darauf“.
Schubert betonte, Wagenknecht habe für die „programmatische Entwicklung“ der Linken keine Rolle mehr gespielt, sondern sich lediglich darauf konzentriert, „von der Seitenlinie Leute zu diffamieren und schlecht zu machen“. Insofern würde „eine Klärung vielleicht manches leichter machen“. Schubert glaubt zudem, Wagenknecht „wäre in Nordrhein-Westfalen auch nicht wieder aufgestellt worden.“
Linke verschwindet „in der politischen Bedeutungslosigkeit“
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, reagierte kurz und knapp auf Wagenknechts Ankündigung. Der Schritt „war mir seit längerem bekannt und ist zu respektieren“, teilte er der dpa mit.
Der Wagenknecht-Vertraute und Bundestagsabgeordnete Klaus Ernst zeigte sich auf Twitter betroffener: „Es ist schade, daß meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet. Der Zuspruch den Sahra Wagenknecht erfährt, zeigt uns aber: Wohlstand, Gerechtigkeit & Frieden sind Themen, die immer hoch im Kurs stehen werden. Oder geht‘s mit Parteiführung in den Niedergang?“
Es ist schade, dass meine Partei in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwindet. Der Zuspruch den Sahra Wagenknecht erfährt, zeigt uns aber: Wohlstand, Gerechtigkeit & Frieden sind Themen, die immer hoch im Kurs stehen werden. Oder geht’s mit Parteiführung in den Niedergang? pic.twitter.com/9JS0wyUkXL
— Klaus Ernst (@ernst_klaus) March 3, 2023
„Oder es ergibt sich politisch etwas Neues“
Sahra Wagenknecht hatte am Freitagnachmittag gegenüber der Zeitung Rheinpfalz „eine erneute Kandidatur für die Linke“ ausgeschlossen. Sie wolle sich entweder aus der Politik zurückziehen und als Publizistin und Buchautorin arbeiten, „oder es ergibt sich politisch etwas Neues“.
Die 53jährige sitzt seit 2009 für die Linkspartei im Bundestag. Von 2015 bis 2019 war sie Co-Vorsitzende ihrer Fraktion. Aktuell hat sie über die NRW-Landesliste ein Abgeordnetenmandat. Zuletzt war Wagenknecht für ein zusammen mit Alice Schwarzer verfaßtes „Manifest für Frieden“ und eine entsprechende Demonstration in Berlin kritisiert worden.
Neue Partei könnte 19 Prozent erreichen
Die Ankündigung Wagenknechts befeuert Spekulationen um eine eigene Parteigründung. „Darüber wird an vielen Stellen diskutiert“, sagte sie dazu zurückhaltend. Allerdings sei es ein Problem, daß sich viele Menschen im heutigen Parteienspektrum von niemandem mehr wirklich vertreten fühlten.
Eine neue Wagenknecht-Partei hätte laut Erhebungen gute Chancen bei den Wählern. Das Meinungsforschungsinstitut Kantar (ehemals Emnid) hat für eine von Sahra Wagenknecht neugegründete Partei ein Wählerpotential von 19 Prozent gemessen.
Vor allem die AfD müßte die Konkurrenz fürchten. Denn 60 Prozent ihrer Wähler könnten sich vorstellen, zu der neuen Organisation überzulaufen. Bei Anhängern der Linkspartei, zu der Wagenknecht gehört, wären es 50 Prozent, bei FDP-Wählern 26 und bei Anhängern von CDU/CSU 16 Prozent. (gb)