Die Ankündigung der Wohnungsbaugenossenschaft Lörrach, Mieter rauszuwerfen, um dann Ukrainer in den Wohnungen unterzubringen, hat am Montag deutschlandweit Schlagzeilen gemacht. Die Wohnungen, heißt es in einem Brief an die Bewohner zur Begründung, seien nun mal für „Flüchtlinge geeignet“. Das Verhalten der Stadt, der das Unternehmen gehört, wirft allerdings mehr und mehr Fragen auf. Sollen Mieter etwa gezielt eingeschüchtert werden? Und auf welcher Rechtsgrundlage sollen die Mietverträge gekündigt werden?
Die JUNGE FREIHEIT hat bei der Stadt angefragt, welchen Kündigungsgrund man den Mietern mitteilen wollte. Anstatt die Frage zu beantworten, verweist die Pressesprecherin der Kommune, Susanne Baldus-Spingler, auf eine allgemeine Mitteilung des Bürgermeisters, in der die Frage nicht einmal gestreift werden. „Bitte haben Sie Verständnis, daß wir darüber hinaus keine weiteren Informationen geben.“
Der baden-württembergische Landesvorsitzende des Deutschen Mieterbunds, Rolf Gaßmann, Experte auf dem Gebiet, hat sich dazu bereits klar und deutlich geäußert: „Die Unterbringung von Flüchtlingen ist laut Mietrecht kein Kündigungsgrund. Ein dummdreistes Schreiben von der Wohnbaugesellschaft, das leider nur die Stimmung gegen Flüchtlinge anheizt.“
Wohnungsunternehmen drängt auf Einzelgespräche
Wenn es keinen Kündigungsgrund gibt, wie dann die Bewohner zum Umzug zwingen? Bemerkenswert ist, daß die Wohnungsgesellschaft die Kündigungen noch gar nicht ausgesprochen hat. In einem ersten Schritt werden die Bewohner zu „Einzelgesprächen“ geladen. Offenbar versuchen Stadt und die ihr gehörende Baugesellschaft die Mieter erst zu überreden. Mit sanftem Druck?
Die Bewohner der Liegenschaften leben zum Teil bereits seit Jahrzehnten dort, sind meist älter und zahlen preiswerte Mieten. Ein 81jähriger Bewohner sagt der Basler Zeitung verzweifelt: „Wo soll ich mit meiner Rente von 1.000 Euro noch eine bezahlbare Wohnung finden“, derzeit zahlt er knapp 400 Euro. Mit Ukrainern, die automatisch vollen Anspruch auf das üppige Bürgergeld haben, läßt sich sicher mehr Geld verdienen.
Betagte Bewohner leben in Angst
Auch Klaus Kichling, 78 Jahre alt, soll nach dem Willen der Stadt rausgeworfen werden. Vor einigen Jahren hatte er einen Schlaganfall. „Dieser Brief – das ist für mich eine vorgezogene Todesanzeige“, kritisiert er gegenüber dem Blatt. Drastische Worte. Auch er lebt von einer Mini-Rente. Daß die versprochenen „individuellen Lösungen“ zu seinem Vorteil ausfallen, glaubt er nicht.
Denn auch hier liegt der Teufel im Detail. Die Wohnungsbaugesellschaft der Stadt hat den Mietern nämlich keineswegs versprochen, gleiche Wohnungen als Ersatz zu bekommen. Sie spricht von „bedarfsgerechten“ und „bezahlbaren“ Wohnungen. Was ist bedarfsgerecht für die Senioren, der dort seit Jahrzehnten wohnen? Was bezahlbar? Das entscheiden offenbar Stadt und städtisches Unternehmen.
Es ist kein Geheimnis: gerade Senioren lassen durch komplexe Sachverhalte leichter einschüchtern. Vor allem in „Einzelgesprächen“. Eine Masche, die kriminelle Enkeltrick-Betrüger seit Jahren nutzen. Was die Stadt dazu sagt? Nichts. In der Pressemitteilung von Bürgermeister Jörg Lutz finden sich keine warmen Worte für die Mieter, die nach Jahrzehnten ihr gewohntes Lebensumfeld verlassen sollen. Er lobt das Bauunternehmen sogar für das Vorgehen. „Wir haben es gut miteinander, hier gibt es keinen Ärger“, sagt Kichling. Bisher. Doch auf den Ärger muß er sich jetzt einstellen. So oder so.