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Internet: Haß ist (k)ein Verbrechen

Internet: Haß ist (k)ein Verbrechen

Internet: Haß ist (k)ein Verbrechen

Hessische Ermittler sollen eine Software bekommen, die ihnen bei einer schnellen Priorisierung der gemeldeten Verdachtsfälle helfen kann. Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Hessische Ermittler sollen eine Software bekommen, die ihnen bei einer schnellen Priorisierung der gemeldeten Verdachtsfälle helfen kann. Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Hessische Ermittler sollen eine Software bekommen, die ihnen bei einer schnellen Priorisierung der gemeldeten Verdachtsfälle helfen kann. Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
Internet
 

Haß ist (k)ein Verbrechen

Hessen hat sich zum Pionier im Kampf gegen den „Haß in Internet“ aufgeschwungen. Dazu setzte man dort von Anfang an auf die Zusammenarbeit von staatlichen Strafverfolgungsbehörden und „zivilgesellschaftlichen Organisationen“, also meist spendenfinanzierten Initiativen. Doch während die Landesregierung jüngst die alarmierende Zahl von nahezu 12.000 angezeigten Haßpostings vermeldete, zeigt ein genauerer Blick auf die Daten: Nur ein kleiner Anteil der gemeldeten Fälle ist strafrechtlich relevant.
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Wallasch, Medien, Gesicht

Eine der größten Gefahren, die in diesem unseren Land lauern, sind „Haß und Hetze im Internet“. Zumindest wenn man dafür den Stellenwert zugrunde legt, den dieses Thema in der öffentlichen Debatte einnimmt. Dieser Tage etwa legt die politische Vorruheständlerin Sawsan Chebli ein ganzes Buch darüber vor: „Laut. Warum Hate Speech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können“.

Als Vorreiter im „Kampf gegen die Haßkriminalität im Netz“ sieht sich das Land Hessen. Schon vor über drei Jahren hatte dort die Kooperation staatlicher Strafverfolgungsbehörden mit Medienfirmen und „zivilgesellschaftliche Organisationen“, wie etwa der „HateAid gGmbH“ begonnen. Dafür wurden sogenannte Meldeplattformen geschaffen, auf denen Inhalte leicht zur Anzeige gebracht werden können.

Denn die Bürger des Landes seien dazu aufgerufen, „Haß und Hetze in sozialen Netzwerken und Webseiten aktiv zu melden“, so die offizielle Linie der Landesregierung. Zuständig auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden ist die bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main angesiedelte „Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT)“. Die kooperierte zu Beginn etwa auch mit der Bewegung „Reconquista Internet“ des Fernsehunterhalters Jan Böhmermann.

Daten werden nicht statistisch erfaßt

Wer im Internet Haß und Hetze verbreite, „muß die Konsequenzen des Rechtsstaates zu spüren bekommen“, meint Innenminister Peter Beuth (CDU). Und sein Parteifreund und Justizminister Roman Poseck sagte, mit dem Portal „Hessen gegen Hetze“ setze man sich dafür ein, „daß strafrechtliche Äußerungen sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt verfolgt werden“.

Doch Begriffe wie „Hate Speech“, zu deutsch Haßrede, sind schwammig und keine klar definierten juristischen Kategorien – anders als etwa Beleidigung, Bedrohung oder Volksverhetzung. Und nicht alles, was man geschmacklos, widerlich oder falsch findet, ist strafbar. Wer allerdings der Frage nachgeht, wie viele der gemeldeten Postings überhaupt strafrechtlich relevant sind und in einer Verurteilung des Urhebers münden, stößt zunächst einmal auf ein hohes Hindernis: Die Daten werden statistisch gar nicht erfaßt.

Bei der ZIT gebe es wie bei allen hessischen Staatsanwaltschaften keinen statistischen Meldedienst vergleichbar dem Kriminalpolizeilichen Meldedienst, teilte dazu der Pressesprecher der Behörde auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mit. Es sei nur möglich, „händische Einzelfallrecherche in allen hier geführten Ermittlungsverfahren durchzuführen, um die entsprechenden Zahlen zusammen zu tragen.“

Weniger als die Hälfte „möglicherweise strafbar“ …

Und genau das nun mußten die Beamten vornehmen – weil der Landtagsabgeordneten Rainer Rahn (fraktionslos, zuvor AfD) im September vergangenen Jahres eine Kleine Anfrage an die Landesregierung gestellt hatte und Details über die Verfahren der ZIT erfahren wollte. Fast vier Monate dauerte die „händische Einzelfallrecherche“, bis jetzt die Antwort aus dem hessischen Innenministerium vorliegt.

Laut der darin enthaltenen Aufstellung gingen in den drei Jahren zwischen dem 16. Januar 2020 und dem 31. Dezember 2022 insgesamt 11.526 Meldungen auf dem Portal „Hessen gegen Hetze“ ein. Bereits diese Meldestelle schätzte weniger als die Hälfte dieser Meldungen (5.221 Fälle) als möglicherweise strafbar ein – beispielsweise weil Kennzeichen verfassungswidriger oder terroristischer Organisationen verwendet wurden, der Verdacht einer Volksverhetzung vorlag, zu Straftaten aufgefordert oder diese gebilligt wurden oder weil es um Beleidigung ging. Von diesen Fällen gingen dann knapp 3.000 an die ZIT in Frankfurt, knapp 2.000 wurden der zuständigen Zentralen Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) des Bundeskriminalamts gemeldet.

… und die Hälfte der Verfahren dann eingestellt

Ende September vergangenen Jahres hatte auf Grundlage dieser knapp 3.000 Meldungen die ZIT insgesamt 1.169 strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. In diesen Verfahren konnten bislang 399 Tatverdächtige ermittelt werden, was einer Quote von 34 Prozent entspricht. Da der größte Anteil dieser Tatverdächtigen (277) außerhalb Hessens wohnt, wurden die Verfahren abgegeben – Informationen über den weiteren Verlauf liegen nicht vor.

Die Hälfte (61) der Ermittlungsverfahren gegen die verbliebenen 122 in Hessen wohnhaften Tatverdächtigen wurden eingestellt, sei es daß ein hinreichender Tatverdacht fehlt, sei es wegen Geringfügigkeit. In fünf Fällen sind die Verfahren noch nicht abschließend entschieden worden.

In erster Instanz verurteilt oder mit einem Strafbefehl belegt worden sind von den 122 Tatverdächtigen bislang 20 Angeschuldigte – also ein knappes Viertel. Und auch wenn man annehmen kann, daß es bei der – größeren – Zahl der Tatverdächtigen außerhalb Hessens ebenfalls zu Verurteilungen kam, bleibt der strafrechtlich relevante Anteil der ursprünglich gemeldeten „Hetze“ im Promillebereich.

„Entscheidend ist, was hinten raus kommt“, lautet ein oft zitierter Ausspruch Helmut Kohls. Bei „Hessen gegen Hetze“ dürfte die Antwort wohl lauten: nicht viel.

Hessische Ermittler sollen eine Software bekommen, die ihnen bei einer schnellen Priorisierung der gemeldeten Verdachtsfälle helfen kann. Foto: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow
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