STRASSBURG. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat von der Bundesregierung eine Stellungnahme zu den Corona-bedingten Schulschließungen im Frühjahr 2021 verlangt. Ein Fragenkatalog des EGMR sei beim Bundesjustizministerium eingegangen, berichtete die Welt am Sonntag.
Das Gericht stellt darin unter anderem die Frage, ob bei den Schulschließungen das tatsächliche Kindeswohl der entscheidende Maßstab für das Handeln der Bundesregierung gewesen sei. Außerdem will das EGMR wissen, ob die Auswirkungen früherer pandemiebedingter Schulschließungen bei der Entscheidungsfindung mit einbezogen wurden.
Zusätzlich verlangen die Richter Informationen über alternative Bildungsangebote, wie Online-Unterricht und Notfallbetreuung in den Schulen. Als Frist zur Beantwortung wurde der 12. April festgelegt.
Corona-Maßnahmen trafen Kinder in kritischer Phase
Hintergrund der EGMR-Nachfrage ist die Klage zweier Rechtsanwälte, die im Mai 2022 bei dem Gerichtshof Beschwerde gegen die Politik der Bundesrepublik eingelegt hatten. „Bereits früh sprach vieles dafür, daß Kinder nicht schwer an Covid-19 erkranken und im Vergleich zu Erwachsenen deutlich weniger zum Infektionsgeschehen beitragen“, sagten sie der Welt. Zudem sei früh klargewesen, daß „die Maßnahmen Kinder in einer kritischen Phase ihrer Entwicklung treffen und daher schwere Folgen haben könnten“.
Im Rahmen der damaligen „Bundesnotbremse“ wurden zwischen April und Juni 2021 sämtliche Schulen in Gebieten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 zumindest teilweise geschlossen. Insgesamt waren deutsche Schulen während der Pandemie an 183 Tagen dicht. Das ist die zweithöchste Anzahl in Europa. Vor kurzem sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Im Nachhinein war es ein Fehler, die Schulen und Kitas so lange geschlossen zu halten“. Der „Wissensstand“ sei damals nicht gut gewesen. (lb)