HAMBURG. ARD-Chef Tom Buhrow hat sich für eine umfassende Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR) ausgesprochen. „Wir brauchen einen runden Tisch in Deutschland, der die großen, grundsätzlichen Fragen beantwortet und befriedet für eine lange Zeit. Wir brauchen einen Generationenvertrag für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das muß das Ziel sein“, forderte Buhrow am Mittwoch abend laut der Frankfurter Allgemeinen Zeitung anläßlich der Hundertjahrfeier des Hamburger Übersee-Clubs.
Deutschland scheine den ÖRR in zehn Jahren nicht mehr in dem heutigen Umfang zu wollen. Doch viele Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks glaubten, wenn man die Verwaltungen nur hart genug durchkämme, könne man jährlich Milliardensummen einsparen, ohne daß sich am Programm etwas ändere.
Buhrow will ARD und ZDF zusammenlegen
Dieser Ansicht erteilte Buhrow eine Absage und plädierte stattdessen für die Zusammenlegung von ARD und ZDF. „Will Deutschland weiter parallel zwei bundesweite, lineare Fernsehsender? Wenn nicht: Was heißt das?“, fragte er das Publikum auf der Abendveranstaltung, an der neben Buhrow selbst auch NDR-Intendant Jochen Knuth teilnahm. „Ich glaube, daß es im Jahr 2030 eine einzige große, öffentlich-rechtliche Mediathek für non-lineare Inhalte geben wird.“ Nur so sei man als ÖRR dazu in der Lage, „Netflix und Co. die Stirn bieten“ zu können.
In diesem Zusammenhang sprach sich der WDR-Intendant Buhrow auch dafür aus, an den Kulturensembles in ÖRR-Trägerschaft zu sparen. „Die ARD unterhält insgesamt 16 Ensembles: Orchester, Big Bands, Chöre. Etwa 2.000 Menschen, fast alle fest angestellt. Obwohl die zu den Besten ihrer Zunft gehören – wir können auch hier der Frage nicht ausweichen: Wollen die Beitragszahler das?“ Auch öffentlich-rechtliche Hörfunk biete Sparpotential.
„64 Hörfunkwellen allein in der ARD. Plus die Wellen des Deutschlandradios. Warum gibt es so viele?“, fragte der Rundfunkfunktionär. Beethoven höre sich in Heidelberg schließlich nicht anders an als in Halle oder Hamburg. „Brauchen wir dann in der ARD mehrere Radios für klassische Musik?“ Das Gleiche gelte für Schlagerwellen oder Info-Radios.
AfD und FDP loben Rede des ARD-Intendanten
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) stimmte den Vorschlägen von Buhrow zu. „Volle Zustimmung, Tom Buhrow: Keine Tabus und keine Denkverbote bei der Reform der Öffentlich-Rechtlichen!“ Mit einem Fokus auf den Kernauftrag des Rundfunks könne das Vertrauen in dessen Arbeit wieder gestärkt werden.
Volle Zustimmung, Tom #Buhrow: Keine Tabus und keine Denkverbote bei der Reform der Öffentlich-Rechtlichen! Mit schlanken Strukturen, einem Fokus auf den Kernauftrag und fairem Wettbewerb mit den Privaten kann die Legitimation der #OERR wieder gestärkt werden. Los geht’s! 💪 CL https://t.co/lmxBLenC24
— Christian Lindner (@c_lindner) November 3, 2022
Auch der medienpolitische Sprecher der AfD im Berliner Abgeordnetenhaus, Ronald Gläser, äußerte sich zur Rede des ARD-Chefs. „Tom Buhrow ist vermutlich der einzige namhafte Rundfunk-Bürokrat, der die Augen nicht davor verschließt, daß das Zeitalter der GEZ-Dinosaurier zu Ende geht. Er möchte retten, was zu retten ist.“
Alles im öffentlich-rechtlichen Rundfunk müsse nun auf den Prüfstand. „Deswegen brauchen wir einen Runden Tisch, der einen 10-Jahres-Plan entwickelt, wie Tom Buhrow ihn skizziert“, mahnte der Politiker. Ein nationaler TV-Sender und je ein regionales Rundfunkangebot könnten bereits ausreichen. (fw)