BERLIN. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat vor einem katastrophalen Winter für die Menschen in Deutschland gewarnt. Er sieht die gesellschaftliche Solidarität „bis an die Grenze und wahrscheinlich darüber hinaus“ strapaziert. Erstmals sagte er mit Bezug auf die Gaslieferungen aus Rußland: „Es kann aber auch sein, daß gar nichts mehr ankommt.“ Seit heute, 6 Uhr früh, fließt kein Gas mehr durch die Pipline Nord Stream 1. Ob dies tatsächlich nur für den Zeitraum der zehntägigen Wartung andauert, ist noch offen.
Für den Winter befürchtet er wegen des drohenden Energiemangels ein „politisches Albtraum-Szenario“, sagte er dem „Deutschlandfunk“. Dies werde es dann geben, wenn er und die Regierung entscheiden müßten, wer noch mit Gas versorgt werden wird und wer nicht. Für diesen Fall mache er sich, so der Vizekanzler, „keine Illusion“: Das werde Deutschland „vor eine Zerreißprobe stellen, die wir lange so nicht hatten“.
Habeck verwies auf die europäische Rechtsnorm, wonach der Staat in den privaten Gasverbrauch eingreifen können. Dabei gehe es darum, die Versorgung der kritischen Infrastruktur wie Krankenhäuser und Altenheime sicherzustellen.
Weitere „harte“ Energiepreiserhöhungen
Um eine solche Situation zu verhindern, will Habeck jedoch weiterhin nicht darüber diskutieren, daß die letzten verbliebenen drei Atomkraftwerke über den 31. Dezember hinaus am Netz bleiben. Dies komme nicht infrage. Vielmehr müsse man versuchen, eine solche Notlage durch das Einsparen und Einspeichern von Gas zu verhindern.
Habeck kündigte gleichzeitig weitere Preiserhöhungen für Energie an. Diese würden „hart werden und für einige Menschen auch zu hart“. Der Wirtschaftsminister fordert daher eine „weitere politische Flankierung“. Ansonsten „zerreißen wir“. Die soziale Spaltung werde „zu stark befördert“. Daher diskutierten in der „konzertierten Aktion“ aktuell Regierung und Sozialpartner über Entlastungen. Allerdings war das erste Treffen völlig ergebnislos zu Ende gegangen. Man habe sich zunächst darüber unterhalten, „ein gemeinsames Krisenverständnis zu entwickeln“, so Kanzler Olaf Scholz im Anschluß.
AfD fordert Ende der Sanktionen
Um die Energiekrise zu beenden, fordert die AfD, die Sanktionspolitik der EU gegen Russland zu beenden. Diese sei gescheitert. „Die verhängten Wirtschaftssanktionen schaden Deutschland weitaus mehr als Rußland und sind deshalb falsch. Die Pipeline Nord Stream 2 muß in Betrieb genommen werden“, sagte der sozialpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, René Springer. Darüber hinaus verlangte er eine Verlängerung der Laufzeit der deutschen Kernkraftwerke, die sofortige Abschaffung der CO₂-Steuer sowie die Senkung der Energiesteuern. (fh)