WIESBADEN. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) sieht die Polizei nach der Festnahme des mutmaßlichen Verfassers der „NSU 2.0“-Drohschreiben vom Vorwurf der Mittäterschaft entlastet. „Wenn sich der Verdacht bewahrheitet, können Dutzende unschuldige Opfer sowie die gesamte hessische Polizei aufatmen“, teilte er am Dienstag mit. Nach allem, was heute bekannt sei, sei nie ein hessischer Polizist für die Drohbriefe mit rechtsextremen Inhalten verantwortlich gewesen.
Am Montag abend hatte die Polizei den mutmaßlichen Täter in Berlin festgenommen. Der 53jährige Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit stehe in dringendem Verdacht, seit 2018 mindestens 115 Drohschreiben an Personen des öffentlichen Lebens, Politiker und Medien verfaßt zu haben, teilten die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main und das Hessische Landeskriminalamt am Dienstag mit. Unterzeichnet wurden die Briefe mit dem Kürzel „NSU 2.0“.
Besonderes Interesse hatte der Fall erregt, da der Verdächtige in seinen Drohbriefen durch angebliches Insiderwissen der Polizei aufgefallen war. Wie die Ermittlungen jetzt ergaben, war er jedoch zu keinem Zeitpunkt Bediensteter einer hessischen oder sonstigen Polizeibehörde. Stattdessen sei er momentan arbeitslos und in der Vergangenheit bereits wegen zahlreicher, auch rechtsmotivierter Straftaten verurteilt worden.
Frage nach möglichen Unterstützern ist noch unbeantwortet
„Die Drohschreiben hatten einen sehr schwerwiegenden Verdacht auf die Polizei gelenkt“, bedauerte der hessische Innenminister. Nun müsse und werde das Ministerium aus diesem großen Ermittlungserfolg weitere Lehren für die hessischen Sicherheitsbehörden ziehen.
Der Verdächtige soll laut Recherchen von Süddeutsche Zeitung und WDR seit Jahren bei Behörden angerufen und sich als Behördenvertreter ausgegeben haben, um an Informationen zu gelangen. Aufgrund solcher Anrufe habe es bereits Ermittlungen wegen des Straftatbestandes der Amtsanmaßung gegen ihn gegeben.
Mittlerweile habe sich herausgestellt, daß viele der vermeintlichen Insiderinformationen jedoch leichter öffentlich zugänglich gewesen sein sollen, als zunächst vermutet. Noch nicht geklärt sei, ob der Verdächtige Unterstützer gehabt habe. In einigen Fällen sollen Daten von einem Computer eines Polizeireviers abgefragt worden sein, etwa von der Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz. Kurz darauf habe sie eine der besagten Drohmails erhalten.
Chebli fordert Konsequenzen
Gegen den Verdächtigen wird nun wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung ermittelt.
Am Vormittag äußerte sich die SPD-Politikerin Sawsan Chebli zu der Festnahme. Sie erhielt laut eigenen Angaben selbst einen „NSU 2.0“-Drohbrief. „Diese Leute müssen spüren, daß ihr Tun nicht folgenlos bleibt“, schrieb sie auf Twitter. (hl)