BERLIN. Die Handydatenauswertung bei Asylsuchenden durch das Bundesamt für Asyl und Flüchtlinge (Bamf) ist nach einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin rechtswidrig. „Das Verwaltungsgericht bestätigt mit seiner Entscheidung, was wir seit Jahren sagen: Das Bamf verletzt mit seinen Handydatenauswertungen Grundrechte“, sagte die Juristin bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Lea Beckmann, am Mittwoch.
Eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts bestätigte auf JF-Nachfrage das Urteil vom gestrigen Dienstag. Eine entsprechende Mitteilung gebe es jedoch noch nicht, da die Urteilsbegründung noch nicht vorläge. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte koordiniert seit Mai 2020 die Klagen mehrerer Asylsuchender in Deutschland.
Das Berliner Gericht gab einer 44 Jahre alten Afghanin recht, die dagegen geklagt hatte, daß das Flüchtlingsamt zu Beginn des Asylverfahrens die Daten auf ihrem Smartphone ausgelesen habe, ohne mildere Mittel zu prüfen. Nach Ansicht des Gerichts seien bereits die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht erfüllt, teilte die GFF mit. „Die Entscheidung stellt die gesamte Praxis der Handydatenauswertungen des Bamf in Frage“, erklärte Verfahrenskoordinatorin Beckmann.
Flüchtlingsamt darf seit 2017 per Gesetz Daten auslesen
Demnach sagte die Afghanin in der Verhandlung: „Auf meinem Handy sind private Nachrichten mit meiner Familie. Ich hatte keine andere Wahl als der Auswertung zuzustimmen und wußte gar nicht, was mit meinen Daten genau passiert.“
Das Flüchtlingsamt darf seit 2017 per Gesetz die Mobiltelefone von Asylbewerbern auslesen, wenn der Einwanderer sich nicht ausweisen kann. Das Bundesinnenministerium nannte die Handy-Auswertung 2020 auf Nachfrage der Zeitungen der Funke-Mediengruppe in solchen Fällen „die einzige oder jedenfalls eine wichtige Quelle für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit einer Person“. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte werde durch enge Vorgaben gewahrt.
Das Verwaltungsgericht gehe davon aus, „daß das Auslesen der Datenträger zum Zeitpunkt der Antragsstellung im Asylverfahren rechtswidrig ist, weil es zur Feststellung der Identität und Herkunft nicht erforderlich ist“, wie es in einer Mitteilung der GFF heißt. Zwei weitere Klagen vor den Verwaltungsgerichten Hannover und Stuttgart seien bislang noch nicht entschieden. (ls)