BERLIN. Mehrere Politiker haben nach den Störungen durch Besucher der AfD im Bundestag erneut ein Verbot der Partei sowie die Beobachtung durch den Verfassungsschutz gefordert. „Es reicht nicht mehr aus, nur den Flügel zu beobachten“, sagte der CSU-Innenpolitiker Michael Kuffer am Montag der Rheinischen Post. „Es wäre wichtig zu wissen, ob die Reden, die Auftritte und die Hetze der AfD das Ziel verfolgen, Gewalt gegen Institutionen zu bewirken. Da könnte der Verfassungsschutz zur Aufklärung beitragen“, begründete der Bundestagsabgeordnete seinen Vorstoß.
Am vergangenen Mittwoch hatten Besucher dreier AfD-Politiker im Bundestag versucht, in Büroräume einzudringen. Zudem filmte und beschimpfte eine Frau Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Auch der frühere SPD-Chef Martin Schulz ist eigenen Angaben nach verbal attackiert worden, weil er bestätigt habe, für das neue Infektionsschutzgesetz zu stimmen. Die AfD-Fraktionsführung entschuldigte sich anschließend für die Unruhen.
Die Geschehnisse zeigten die Abneigung der Oppositionspartei gegen den Parlamentarismus, meinte Kuffer. „Die AfD appelliert an die niedersten Motive ihrer Anhänger.“ Diese Entwicklung habe sich schon lange angedeutet und sei nun am Mittwoch eskaliert. Die Entschuldigung von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland reiche nicht aus. Dieser sei nur glaubwürdig, wenn er den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke entmachten würde.
Vorsitzender der Innenministerkonferenz bringt Verbot ins Spiel
Auch SPD-Chefin Saskia Esken hatte am Sonntag den Verfassungsschutz aufgefordert, die AfD genauer zu beobachten. „Es ist dringend geboten, daß der Verfassungsschutz nicht nur die AfD, sondern auch ihre Vernetzung mit nationalen und internationalen Akteuren der rechtsextremistischen Szene beobachtet“, sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die Szene radikalisiere sich grenzübergreifend und sei gewaltbereit.
Die Vorfälle am vergangenen Mittwoch hätten gezeigt, „daß die AfD zunehmend mit Extremisten kooperiert, die unseren Staat und seine Organe verächtlich machen und auch vor Straftaten nicht zurückschrecken“.
Einen Schritt weiter war der amtierende Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Georg Maier (SPD), gegangen. Der Thüringer Innenminister hatte am Sonnabend gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ein Verbot der AfD nicht mehr ausgeschlossen. „Die gesamte Partei entwickelt sich in eine rechtsextremistische Richtung“, wozu auch die ständigen geschichtsrevisionistischen Versuche mit Begriffen wie „Vogelschiß, Denkmal der Schande und jetzt Ermächtigungsgesetz“ sowie Angriffe auf die freiheitliche demokratische Grundordnung gehörten.
Politikwissenschaftler hält Verbotsdebatte für hanebüchen
Aufgabe des Verfassungsschutzes sei es, „gerichtsfestes Material zu sammeln, um geeignete Mittel für den Umgang mit der AfD zu finden“. Ein Verbotsverfahren sei dabei „das allerletzte Mittel“. Aber: „Auch das ist nicht mehr auszuschließen, wenn die Partei sich weiter radikalisiert.“ Der Politikwissenschaftler Dierk Borstel bezeichnete die Debatte um ein AfD-Verbot als hanebüchen. Zwar sei die AfD „für die demokratische Kultur und eine liberale Gesellschaft viel gefährlicher, als es die NPD damals war“, sagte Borstel Zeit Online.
Allerdings mache man der AfD mit solchen Diskussionen ein großes Geschenk. Zudem erfülle die AfD als Ganzes nicht die Kriterien für ein Verbot. „Denkbar erscheint – wenn überhaupt – nur ein Teilverbot der AfD. Beispielsweise könnten einzelne Kreisverbände oder zwei Landesverbände verboten werden. Brandenburg und Thüringen böten sich an.“ Dort habe die AfD die nötige Relevanz, das Spitzenpersonal und eine Nähe zum „harten Rechtsextremismus“.
Forderungen nach einem AfD-Verbot hatte es bereits in der Vergangenheit gegeben. Der inzwischen zurückgetretene SPD-Politiker Johannes Kahrs hatte beispielsweise vor zwei Jahren kritisiert, die AfD werde immer rechtsextremer, weshalb ein Verbot „zwingend geboten“ sei. (ls)