Kein Zweifel, die AfD hat dem deutschen Parlamentarismus geschadet. Die Störungen und Provokationen ihrer „Gäste“ im Bundestag waren ein Tabubruch mit möglicherweise strafrechtlichen Folgen. Schlimmer noch, der Umgang im Parlament, der Anstand und Respekt erfordert, dürfte bis zur Neuwahl des Bundestags im kommenden Herbst erheblich gestört sein.
Bei aller Kritik im Einzelnen, das Ansehen des Bundestages, der höchsten deutschen Volksvertretung, darf nicht beschädigt werden. Es war deshalb richtig, daß sich Fraktionschef Alexander Gauland für das inakzeptable Verhalten der Pöbler entschuldigt hat. In der Tat, wer frei gewählte Abgeordnete vor deren Stimmabgabe bedrängt und beleidigt, handelt „unzivilisiert“.
Die AfD-Bundestagsfraktion hat sich mit der Aktion vom Mittwoch auch selbst geschadet und ihre Führung weiß dies auch. Die größte Oppositionsfraktion will als bürgerliche Partei wahrgenommen werden. Dazu passen die Pöbel-Attacken ihre „Gäste“ auf den Fluren des Bundestages ebenso wenig wie kurz darauf die Plakataktion ihrer Abgeordneten im Plenum. Derlei Aktivitäten sollte sie weiterhin der Linken und ihren Vorfeldorganisationen überlassen. Es ist noch nicht lange her, daß Greenpeace und Extinction Rebellion den Parlamentsablauf gestört haben. Waren das die „guten“ Störer?
„Undemokraten“, „Nazis“ und „Fratzen“
Die AfD-Fraktionsvollversammlung hat das Verhalten der einladenden Abgeordneten per Beschluß mißbilligt und diese aufgefordert, sich bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zu entschuldigen. Ob sich der Schaden damit begrenzen läßt, ist fraglich. Die Video-Attacken haben den Graben zwischen der AfD und den restlichen Fraktionen noch vertieft, wie die Aktuelle Stunde des Bundestags gezeigt hat. Da war von „Undemokraten“, „Nazis“ und „Fratzen“ die Rede. Das sind vorsichtig formuliert, unparlamentarische Begriffe, die allerdings von Schäuble ungerügt blieben.
Bei aller berechtigten Empörung über die AfD hätte es dem Bundestag und auch Schäuble gut angestanden, die Umstände der vorübergehenden Festnahme ihres Abgeordneten Karsten Hilse anzusprechen. Der Bautzener Parlamentarier, ein früherer Polizist, war auf dem Weg zum Bundestag inmitten der Corona-Demonstration von seinen früheren Berufskollegen mit großer Härte niedergerungen und in Handschellen gelegt worden. Auch hier ist Aufklärung geboten.
Am Ende dieser turbulenten Woche bleibt nur das Fazit, daß die Politik insgesamt verloren hat. Das Ansehen des Bundestags hat gelitten, die AfD hat ihren Gegnern Stoff geliefert, um sie weiter zu isolieren. Da bräuchte es eine Parteiführung, die klare Kante gegen Rechtsaußen zeigt und den liberalkonservativen Flügel stärkt.
Denn bei aller Kritik an der AfD zieht sie ihre politische Berechtigung weiterhin aus dem Linksruck der CDU, dem Ergrünen der CSU, dem Niedergang der SPD und der Sprachlosigkeit der FDP. Eine Berechtigung, die sich streng an den bewährten parlamentarischen Abläufen zu orientieren hat. Was denn sonst?