Seit Wochen herrscht in Bremen ein knallharter Konkurrenzkampf um jede Wählerstimme rechts der Mitte. Die AfD hofft bei der Bürgerschaftswahl am 26. Mai auf kräftigen Stimmenzuwachs. Mit dem Wählerbündnis „Bürger in Wut“ (BiW) gibt es einen direkten Mitbewerber, der ähnliche Positionen besetzt. In den Umfragen liegt die AfD derzeit bei rund acht Prozent, die BiW kommen auf drei Prozent.
Das kleine Bundesland besteht allerdings aus zwei Wahlbereichen, Bremen und Bremerhaven. Um in die Bürgerschaft einzuziehen, reicht es aus, in einem der beiden mehr als fünf Prozent der Stimmen zu gewinnen. Jüngste Prognosen sehen die BiW in Bremerhaven, wo sie seit 2007 jedesmal die Fünfprozenthürde überwinden konnte, bei immerhin neun Prozent.
Doch sind die inhaltlichen Differenzen zwischen den beiden Parteien tatsächlich so groß? Und ist ein Bündnis in Zukunft ausgeschlossen? Es habe Gespräche darüber gegeben, bestätigt der AfD-Landesvorsitzende Frank Magnitz gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. „Seitdem ich vor vier Jahren mit der zentralen Forderung nach Vereinigung aller demokratischen Kräfte rechts der Mitte unter dem Dach der AfD angetreten bin, wurden intensivste Verhandlungen über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahren mit den BiW geführt“, erklärt der AfD-Bundestagsabgeordnete. Gescheitert sei das letztlich an den „unglaublich vermessenen Ansprüchen des führenden Kopfes der BiW, Jan Timke“.
Ex-AfD-Politiker als BiW-Kandidat
Der jedoch widerspricht. Und bezichtigt Magnitz der Lüge: „Es wurden zu keinem Zeitpunkt ‘intensivste Verhandlungen’ über ein mögliches Zusammengehen zwischen BiW und AfD geführt. Und ich persönlich habe auch niemals irgendwelche ‘vermessenen Ansprüche’ gestellt“, sagt Timke der JF.
Es habe einzelne Kontakte über den Umgang miteinander gegeben, dabei sei es geblieben. Seine Partei stehe für eine „pragmatische, wertkonservative Politik der Vernunft“ und sei „ein Politikangebot für Wähler, die unzufrieden mit den Volksparteien sind“. Vor allem um die ausufernde Kriminalität in der Hansestadt will man sich kümmern. Die Bremer AfD hingegen, so der 48jährige, habe „in der Vergangenheit vor allem durch Personalquerelen und verbale Entgleisungen von sich reden gemacht“.
Anfang 2019 hatte sich auch Hinrich Lührssen mit der AfD und Magnitz überworfen. Nun tritt der Fernsehjournalist bei der Wahl als Spitzenkandidat der BiW an. Es habe an der starken Hierarchie und Hinterzimmerabsprachen gelegen, erklärt der 60jährige. Bei der entscheidenden Wahl zur Listenaufstellung hätten allein sechs Familienmitglieder von Magnitz mitgestimmt. Tocher Ann Kathrin Magnitz erhielt schließlich Listenplatz 5. Lührssen jedoch, zuvor sogar als Spitzenkandidat gehandelt, ging leer aus.
Verschuldete Hansestadt
Das will Magnitz so nicht stehenlassen. Der AfD-Landesvorsitzende spricht gegenüber der JF von einer „Handvoll Querulanten“ und „gestörten Persönlichkeiten“, die immer wieder „Lügen verbreiten“ würden. Auch beim Vorwurf „Verwandten-Netzwerk“ winkt er ab. Es sei richtig, daß ein großer Teil seiner Familie in der AfD aktiv sei. „Worauf ich auch sehr stolz bin“, betont Magnitz. Doch warum solle er seiner Familie die politische Betätigung untersagen? Hier werde versucht, „völlig normale und organisch verlaufende Zusammenhänge zu skandalisieren“.
Mehr Sorgen bereiten ihm die Zustände in der Hansestadt. Rot-Grün hinterläßt einen Schuldenberg in Höhe von 22 Milliarden Euro, bei Bildungsvergleichen belegt Bremen regelmäßig die hinteren Plätze. Zudem gilt die Hansestadt als Kriminalitätsschwerpunkt. „Dabei hätte diese Stadt so viele Möglichkeiten“, beklagt der 66jährige. Schließlich seien Leistungskraft und Wachstum der Wirtschaft „trotz allen konzertierten Widersachertums von Politik und Verwaltung ungebrochen.“
Rot-Rot-Grün wird wahrscheinlicher
Doch große politische Veränderungen sind nicht in Sicht. Denn eine rot-rot-grüne Koalition wird in Bremen immer wahrscheinlicher. „Wir wollen diese Mehrheit links der Mitte zum Tragen bringen“, verdeutlichte SPD-Bürgermeister Carsten Sieling erst vor wenigen Tagen – und schloß gleichzeitig eine Koalition mit der Union aus. Der Wahlkampf habe gezeigt, daß die Union kein soziales Bundesland wolle.
Damit bestätigte Sieling einen Beschluß des Landesvorstands der SPD, der zuvor Koalitionsverhandlungen wie auch Sondierungsgespräche mit der CDU kategorisch abgelehnt hatte. Das rief sogar CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf den Plan. Sie nannte die Entscheidung „arrogant und respektlos“.
JF 22/19