Anzeige
Anzeige
Bernd Zimniok, Demografie, Massenmigration

Amokfahrt in Münster: An Tagen wie diesen

Amokfahrt in Münster: An Tagen wie diesen

Amokfahrt in Münster: An Tagen wie diesen

Tatort in Münster
Tatort in Münster
Tatort in Münster: Mann raste mit Campingbus in Menschenmenge Fotos (2): JF
Amokfahrt in Münster
 

An Tagen wie diesen

„Bitte keine Spekulationen“, bat die Münsteraner Polizei nach der tödlichen Amokfahrt am vergangenen Samstag. Allerdings vergeblich. Der Usus an Tagen wie diesen ist ein gänzlich anderer. Und das auf allen Seiten. Eine Reportage von Marco Pino.
Anzeige

Es ist etwa ein Uhr in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Die Absperrungen in der Münsteraner Innenstadt wurden soeben aufgehoben. Wir gehen über den Prinzipalmarkt Richtung Altstadt. Wo sonst der ein oder andere Nachtschwärmer umherstreift, herrscht eine gespenstische Stille. Kurz vorm Kiepenkerl-Denkmal sorgen eine Polizeisperre und ein paar Pressefotografen für ein wenig Leben. Aus der Distanz sehen wir den Tatort und den silbergrauen VW-Multivan, den der 48-jährige Deutsche Jens R. für seine Amokfahrt am Nachmittag genutzt hatte. Zwei Menschen kamen dabei ums Leben, zwanzig weitere wurden zum Teil schwer verletzt, anschließend tötete sich der Amokfahrer selbst.

„Was ist denn hier passiert?“, fragt eine französische Journalistin, die offenbar gerade erst eingetroffen ist. „Es war ein Nazi-Terrorist“, antwortet ein Pressefotograf. Woher er das denn jetzt schon so genau wisse, fragen wir nach. „Ist doch offensichtlich!“ Seine Quellen behält der Fotograf allerdings für sich.

Das Tatfahrzeug am Kiepenkerl in der Münsteraner Altstadt, Foto: JF

Usus an Tagen wie diesen

„Breaking News: Fahrzeug rast in Menschenmenge.“ So hatte es am Nachmittag angefangen. Eine Meldung, die an die LKW-Attentate der jüngeren Vergangenheit erinnerte, an Nizza, Berlin und Barcelona. Schnell wurde bekannt, daß sich der Fahrer erschossen hatte. Ein Unfall schien somit ausgeschlossen. Ein Terroranschlag um so wahrscheinlicher.

Es folgte, was mittlerweile Usus ist an Tagen wie diesen. Auf den Straßen der Stadt und in sozialen Netzwerken machten Gerüchte die Runde: Von weiteren Anschlägen am Friesenring und am Germania-Campus, von flüchtigen Terroristen, schwerbewaffnet und gefährlich. All das bewahrheitet sich nicht.

Derweil beginnt in den Medien das übliche Prozedere. Sondersendungen, Liveschaltungen, dazu die gewohnten Berichte über anteilnehmende Persönlichkeiten. Die klingen dann so: „Ich möchte allen Angehörigen und Hinterbliebenen unsere tiefempfundene Anteilnahme aussprechen. Eine Bewertung dieser Tat kann und wird dann erfolgen, wenn genaue Informationen zum Täter und seinem Motiv vorliegen.“ Das Zitat stammt übrigens von AfD-Chef Jörg Meuthen, verbreitet am Samstag auf der Facebook-Seite seiner Partei.

In die Kondolenz-Artikel der meisten Zeitungen schaffte es Meuthen damit aber nicht. Die Rolle der Guten, der Anteilnehmenden, ist dort den Merkels und Steinmeiers dieser Welt vorbehalten. Für die AfD ist hingegen die Rolle der ewig Bösen reserviert, die das traurige Ereignis für ihre Zwecke instrumentalisierten. An diesem Tag tut Beatrix von Storch ihren Gegnern den Gefallen. Sie vergaloppierte sich mit einem allzu voreiligen Twitter-Beitrag. Und lieferte damit jene Satzbrocken, die sich Leitmedien von der AfD wünschen, um ihr Gut-Böse-Bild zu illustrieren.

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Auf der anderen Seite führt gerade diese Einseitigkeit im Mainstream zu einer Art Spiegeleffekt in sozialen Netzwerken: Weil ja ohnehin alles falsch ist, was ARD und Co. berichten, muß automatisch das Gegenteil wahr sein. Schon genügen diffuse Berichte über Einsätze der Bundespolizei an der niederländischen Grenze als Beleg dafür, daß die Sicherheitskräfte eifrig an der Vollverschleierung der Wahrheit arbeiten.

Tatsächlich ist üblich, daß die Bundespolizei in solchen Fällen die Aufnahme von Grenzkontrollen vorbereitet, um etwaige Tatverdächtige an der Ausreise zu hindern. Doch offenbar funktionieren Aluhüte nicht – an Tagen wie diesen.

Ein Glück, es war ein Deutscher!

Einige Stunden nach der Amokfahrt: Wir sind an der Tibusstraße, wo die Polizei ein Pressezentrum eingerichtet hat. Andreas Bode ist der gefragteste Mann am Platz. Das Gesicht des Polizei-Pressesprechers ist in fast jedem TV-Beitrag zu sehen. Immer wieder leiert er gegenüber Journalisten dieselben Sätze herunter: Der Fahrer wurde tot aufgefunden, sieht nach Selbstmord aus. Allerdings: Damals, am Breitscheidplatz, hatte es auch erst das Gerücht gegeben, der Täter habe sich selbst gerichtet. Stunden später stellte sich heraus: Es war der polnische LKW-Fahrer Lukasz Urban, der vom wahren Attentäter Anis Amri ermordet wurde.

Wir fragen Bode, ob er ein solches Szenario ausschließen könne. Alles sehe nach Selbstmord aus, aber man müsse noch die finalen Ermittlungsergebnisse abwarten. Und was hat es mit den Zeugenaussagen auf sich, zwei weitere Personen seien aus dem Fahrzeug geflüchtet? Dem gehe man nach, könne es weder bestätigen, noch ausschließen. Zu diesem Zeitpunkt kamen also durchaus noch andere Tathergänge in Betracht.

Dennoch wird die Version vom deutschen Einzeltäter bereits jetzt auf allen Kanälen verbreitet. Fast scheint es, als wolle man die frohe Kunde möglichst zügig in Umlauf bringen: Ein Glück, es war ein Deutscher! Ein Glück, kein weiterer islamischer Terroranschlag. „Das hätte ja nur der AfD genutzt“, sagt ein Journalist zu einem Kollegen. Erleichterung macht sich breit.

Twitter

Mit dem Laden des Tweets akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Twitter.
Mehr erfahren

Inhalt laden

„Bitte keine Spekulationen“, mahnt hingegen die Polizei via Twitter. Journalisten fühlen sich davon aber offenbar ebensowenig angesprochen wie die Schwärme in sozialen Medien. Spekulationen bis hin zum Instrumentalisieren der Tat für politische Zwecke – kein Problem, wenn es nur in die „richtige Richtung“ weist.

Allzu verlockend für viele Journalisten

Es beginnt am späten Samstagabend in der Lokalzeitung Westfälische Nachrichten (WN). Informationen seien „durchgesickert“, wonach „die Ermittler in der Wohnung von Jens R. Hinweise auf einen rechtsextremen Hintergrund gefunden haben“. Nach Informationen der WN habe der Attentäter „Zweitwohnungen in Ostdeutschland gehabt“. Das reicht dem Mainstream-Schwarm offenbar mittlerweile schon als Indiz für ein rechtsextremes Tatmotiv.

Sonntagmittag: Polizei und Staatsanwaltschaft geben eine Pressekonferenz direkt am Tatort Foto: JF

Erst auf einer Pressekonferenz am Tag danach bestätigen die Ermittler die Version vom psychisch gestörten Einzeltäter. Dazu die Klarstellung: „Wir haben bei den bisherigen Durchsuchungen keine Hinweise auf eine politisch motivierte Tat gefunden“. Vielmehr verdichteten sich die Anzeichen, „daß die Ursachen für die Ausführung der Tat in der Persönlichkeit des Täters begründet sind“.

Zum selben Zeitpunkt machen diverse Leitmedien noch immer mit der Spekulation vom rechtsextremistisch motivierten Anschlag auf. Die Vorstellung, es sei endlich auch mal ein „Nazi-Terrorist“ mit einem Fahrzeug in eine Menschenmenge gerast – offenbar allzu verlockend für viele Journalisten.

Tatort in Münster: Mann raste mit Campingbus in Menschenmenge Fotos (2): JF
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen
aktuelles