BERLIN. Führende SPD-Politiker haben Sigmar Gabriel (SPD) für seine Äußerungen zu den Begriffen „Heimat“ und „Leitkultur“ kritisiert. Dieser hatte zuvor eine Debatte darüber gefordert.
Die neue SPD-Vizechefin Natascha Kohnen sagte der Welt, ihre Partei müsse den „Sprung ins 21. Jahrhundert“ schaffen. Der Begriff „Leitkultur“ sei deshalb Quatsch. „Der wird verwendet, um Menschen auszuschließen.“ Auch eine Debatte um das Wort „Heimat“ könne sie nicht nachvollziehen. „Heimat ist für mich als Bayerin ein ganz selbstverständlicher Begriff.“
Widerspruch kam auch vom Juso-Vorsitzenden Kevin Kühnert. Von „progressiven Menschen“ könne man „in Zeiten des Rechtsrucks“ erwarten, daß sie eine Gegenkultur anbieten, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. SPD-Politiker Matthias Miersch betonte im Deutschlandfunk, „mit der von Gabriel geforderten offenen Debatte über eine Leitkultur nicht viel anfangen“ zu können. Für ihn sei das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Leitkultur.
#Leitkultur. ? Von progressiven Menschen könnte man in Zeiten des Rechtsrucks erwarten, dass sie eine Gegenkultur anbieten, die #Demokratie, #Menschenrechte, #Laizismus, #Aufklärung und #Zivilgesellschaft ins Zentrum rückt. #Gabriel #spd #Jusos
— Kevin Kühnert (@KuehniKev) 16. Dezember 2017
Gabriel fordert Debatte um „Heimat“ und „Leitkultur“
Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel hatte im Spiegel eine grundlegende Kurskorrektur seiner Partei gefordert. Mit Blick auf den Aufstieg der AfD schlug der frühere SPD-Chef eine Debatte über Begriffe wie „Heimat“ und „Leitkultur“ vor.
„Ist die Sehnsucht nach einer Leitkultur angesichts einer weitaus vielfältigeren Zusammensetzung unserer Gesellschaft wirklich nur ein konservatives Propagandainstrument, oder verbirgt sich dahinter auch in unserer Wählerschaft der Wunsch nach Orientierung in einer scheinbar immer unverbindlicheren Welt der Postmoderne“, fragte er.
Gabriel warnte außerdem vor einem weiteren Abstieg der Sozialdemokratie, wenn sie nicht überzeugende Antworten auf den fundamentalen Wandel in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung finde. Die SPD habe sich zu weit von ihren klassischen Wählerschichten entfernt. „Umwelt- und Klimaschutz waren uns manchmal wichtiger als der Erhalt unserer Industriearbeitsplätze, Datenschutz war wichtiger als innere Sicherheit“, kritisierte er.
Katrin Göring-Eckardt will „Heimat“-Begriff nicht den Rechten überlassen
Einen ähnlichen Richtungsstreit hatte es im Oktober auch bei den Grünen gegeben. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warb dafür, den Begriff „Heimat“ nicht Rechten zu überlassen. „Die Sehnsucht nach ‘Heimat’, nach Zuhause, danach sich zurechtzufinden, sicher zu sein, ist als solche nicht reaktionär, aber sie läßt sich für eine reaktionäre Agenda mißbrauchen“, sagte sie. (ha)