BERLIN. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, Lehrern unter gewissen Umständen das Kopftuch zu erlauben, hat ein gespaltenes Echo hervorgerufen. Kritik kam von Union und FDP. SPD, Grüne, Linkspartei und AfD zeigten sich dagegen erfreut. Die JUNGE FREIHEIT bietet einen Überblick über die wichtigsten politischen Reaktionen.
Kritik von der CDU
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Franz Josef Jung (CDU), betonte, das Urteil dürfe „nicht als Ermunterung dahingehend verstanden werden, daß kulturelle Gepflogenheiten generell als Ausübung der Religion verstanden werden“. Auch künftig müßten „Lehrkräfte die Neutralität des Staates gegenüber Schülerinnen und Schülern sowie Eltern strikt wahren“.
Deutliche Kritik kam vom CDU-Innenexperten Wolfgang Bosbach: „Das Tragen eines Kopftuches ist nicht nur Ausdruck einer privaten religiösen Überzeugung, sondern der bewußten kulturellen Abgrenzung zur christlich-jüdischen Tradition unseres Landes. Eine islamische Tradition haben wir nicht.“ Zugleich setzte er sich für ein Burka-Verbot in Deutschland ein.
CSU: Christentum muß privilegiert werden
CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kommentierte: „Bayern ist und bleibt ein christlich geprägtes Land, daran lassen wir nicht rütteln. Wir werden uns das Urteil genau anschauen und in seinen Konsequenzen prüfen.“ Die Ansicht der Karlsruher Richter, wonach das Christentum nicht bevorzugt behandelt werden dürfe, teilt Scheuer nicht.
„In jedem Fall werden wir in Bayern alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, damit das Christentum bei uns in Bayern privilegiert bleibt und weiterhin das prägende Wertefundament für unsere Gesellschaft ist.“
Freude bei der SPD
Die SPD zeigte sich erfreut über die Entscheidung: „Wir leben in einer multireligiösen Gesellschaft. Der Islam gehört selbstverständlich zu Deutschland. Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich dafür ein, daß religiöse Vielfalt in Deutschland gelebt werden kann und begrüßt daher das Urteil“, sagte die Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion, Kerstin Griese.
Es sei wichtig, daß es in Deutschland Lehrer gebe, „die einen Migrationshintergrund haben“. Dabei sei es unwichtig, ob diese ein Kopftuch tragen. Weniger begeistert zeigte sich der scheidende Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowksy. „Ich empfinde das Urteil als Katastrophe“, sagte er dem RBB. “Ich halte das für ein Zurückweichen, für die Preisgabe eines elementaren Bausteins unserer Gesellschaft.“ Der Kampf gegen den Islamismus sei nun schwerer.
Grüne: Vielfalt wurde gestärkt
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck lobte die Richter. „Die Gegner unserer offenen Gesellschaft sind nicht die Lehrerinnen und Lehrer, die ihren Glauben sichtbar bekunden, sondern diejenigen, die Vielfalt bekämpfen.“ Es könne nicht schaden, wenn Schüler „verschiedene Lebensentwürfe und Glaubensvorstellungen kennenlernen“.
„Das Bundesverfassungsgericht stellt Kopftuch und Nonnenschleier endlich gleich. Das war überfällig: Die Privilegierung christlicher Symbole in so manchem Landesgesetz war von vornherein offensichtlich verfassungswidrig.“
Linkspartei will säkularen Staat stärken
„Auch wenn die Entscheidung das Kopftuchverbot nicht grundsätzlich aufhebt, ist es ein wichtiges und richtiges Signal, daß Glaubens- und Bekenntnisfreiheit auch in einem säkularen Staat gelten“, lobte die religionspolitische Sprecherin der Linkspartei im Bundestag, Christine Buchholz. „Die Entscheidung ist auch ein positives Zeichen in Zeiten, in denen Islamhasser – wie Pegida – die Rechte von Muslimen einschränken wollen.“
AfD: „Ein gutes Urteil für Deutschland“
Auch die Alternative für Deutschland (AfD) nahm das Urteil erfreut auf. „Die Rücknahme des pauschalen Kopftuchverbotes durch das Bundesverfassungsgericht ist klug. Sie ist es jedoch nur vor dem Hintergrund, daß in deutschen Schulen auch das Kruzifix unangefochten und gängige Praxis ist“, sagte der stellvertretende AfD-Chef Alexander Gauland.
Es sei vollkommen richtig, „daß ein Kopftuch pauschal keine hinreichend konkrete Gefahr für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität in Deutschland darstellt“. Gauland ergänzte: „Auch in den Schulen sollte religiöse Toleranz gelebt und von allen Seiten eingefordert werden.“
FDP bleibt zurückhaltend
FDP-Chef Christian Lindner reagierte reserviert auf das Votum. „Der Staat muß weltanschaulich neutral bleiben. Und deshalb sollten seine Amtsträger im Dienst besonders zurückhaltend hinsichtlich ihrer persönlichen Bekenntnisse sein“, schrieb er auf Facebook. Manche lobten das Urteil wohl nur, um „mehr Kruzifixe in staatlichen Schulen aufhängen“ zu können. (ho)