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Flüchtlingswelle: „Ausbaden müssen wir das dann“

Flüchtlingswelle: „Ausbaden müssen wir das dann“

Flüchtlingswelle: „Ausbaden müssen wir das dann“

Schneeberg
Schneeberg
Asylbewerber in einer Turnhalle im sächsischen Schneeberg Foto: picture alliance/dpa
Flüchtlingswelle
 

„Ausbaden müssen wir das dann“

Die sächsische Gemeinde Glaubitz soll 21 Asylbewerber aufnehmen, doch sie hat keinen Platz. Nun sollen die Bürger prüfen, ob sie die Flüchtlinge privat bei sich unterbringen können. Bürgermeister Lutz Thiemig kann den Unmut hierüber verstehen. Schuld aber, sagt er, sei die Asylpolitik des Freistaats.
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Wann ist die Grenze erreicht, wann das Boot voll? Diese Frage stellen sich angesichts der nicht versiegenden Flüchtlingsströme immer mehr Kommunen in Deutschland. Mit bis zu 250.000 weiteren Asylbewerbern rechnet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in diesem Jahr. Angesichts eines 82-Millionen-Volks eine überschaubare Zahl und für ein vergleichsweise reiches Land wie Deutschland eigentlich kein Problem. So zumindest die Theorie.

Doch vor Ort in den Kommunen zählt keine Theorie. Hier herrscht die Realität. Die Gemeinden sind es, die die Asylbewerber unterbringen und versorgen müssen. Wie weit Theorie und Praxis dabei auseinanderklaffen, zeigt ein Blick in die sächsische Provinz.

Die Gemeinde Glaubitz, westlich von Großenhain unweit der Elbe gelegen, ist ein beschaulicher Ort. 2.117 Einwohner leben hier. Bei der Kommunalwahl im Mai 2014 wurde die CDU mit 48,1 Prozent stärkste Partei, vor der örtlichen Wählervereinigung mit 36,3 Prozent. „Gäste aus nah und fern sind in Glaubitz herzlich willkommen“, heißt es auf der Internetseite der Gemeinde.

Empörte Reaktionen

Aushang in Glaubitz: Anfrage nach freiem Wohnraum Foto: Wochenkurier Dresden-Umland/Facebook
Aushang in Glaubitz: Anfrage nach freiem Wohnraum Foto: Wochenkurier Dresden-Umland/Facebook

Asylbewerber gibt es in Glaubitz bislang keine. Nicht einen einzigen. Um so mehr überraschte Mitte Februar ein Aushang auf dem Gemeindeamt. Darin hieß es, Glaubitz müsse demnächst 21 Asylbewerber aufnehmen. Der Landkreis Meißen habe die Gemeinde angewiesen, ihm bis zum 3. März die Unterkunftsmöglichkeiten für die Flüchtlinge zu nennen.

Glaubitz aber hat keine leerstehenden kommunalen Wohnungen. Auch eine Turnhalle, die sich zur Notunterkunft umfunktionieren ließe, gibt es nicht. Also sah sich Bürgermeister Lutz Thiemig zu einem ungewöhnlichen Schritt veranlaßt. Er bat die Glaubitzer, zu prüfen, ob sie Asylbewerber bei sich privat unterbringen können. Dies brachte ihm teils heftige Reaktionen ein. Empörte Emails mit persönlichen Beleidigungen waren die Folge.

Doch der parteilose Bürgermeister steht zu seiner Entscheidung. „Es gibt im gesamten Gemeindegebiet keine freien kommunalen Wohnungen“, sagt Thiemig im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. „Mir sind zwar auch keine privaten Wohnungen bekannt, die frei sind, aber man kann ja mal fragen. Und wir zwingen auch niemanden.“ Diejenigen, die Platz hätten und diesen für Asylbewerber zur Verfügung stellen wollten, würden von der Gemeinde an den Landkreis weitervermittelt. „Und der würde dann gegebenenfalls die Wohnung anmieten. Aber bislang ist mir noch kein Fall bekannt.“

„Die Bürger sehen, was los ist“

Thiemig betont, seine Gemeinde sei zur Unterbringung der 21 Asylbewerber verpflichtet. So sehe es das Sächsische Flüchtlingsaufnahmegesetz vor. Bei einer Weigerung drohen Konsequenzen. „In einer Beratungsrunde des Landkreises mit den Bürgermeistern wurde uns mit der Rechtsaufsicht und möglichen Disziplinarmaßnahmen gedroht“, erzählt Thiemig, der seine Funktion ehrenamtlich ausübt.

Also wird Glaubitz die Asylbewerber aufnehmen, auch wenn kein Platz vorhanden ist. Es werde vermutlich auf Wohncontainer hinauslaufen, erläutert Thiemig. Eine andere Möglichkeit sehe er nicht. „Aber das muß der Gemeinderat entscheiden.“

Bis zum 2. März soll das Schreiben mit der Wohnraumabfrage daher auf dem Gemeindeamt hängen bleiben. Groll gegen den Landkreis hegt Glaubitz’ Bürgermeister dennoch nicht. „Die halten sich auch nur ans Gesetz. Und das Gesetz hat der sächsische Landtag gemacht.“ Die dortigen Politiker hätten allerdings von den wahren Verhältnissen vor Ort wenig Ahnung, kritisiert Thiemig. „Wir sind immer das letzte Glied in der Kette.“

Es könne nicht sein, daß die Gemeinden immer die Kosten davon aufgebrummt bekommen, was anderswo beschlossen werde. „Ausbaden müssen wir das dann.“ Ihm bleibe am Ende nur, bei den Bürgern um Verständnis zu werben. Aber das, so Thiemig, werde nicht gerade einfacher. „Achtzig Prozent der Bürger denken anders darüber als die offizielle Politik. Das ist auch ganz normal. Die sehen doch, was los ist.“

Asylbewerber in einer Turnhalle im sächsischen Schneeberg Foto: picture alliance/dpa
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