BERLIN. Joachim Gauck ist elfter Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland. Der ehemalige Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde wurde am Sonntag erwartungsgemäß mit deutlicher Mehrheit von der im Berliner Reichstag tagenden Bundesversammlung zum Nachfolger des zurückgetretenen Christian Wulff gewählt.
Für Gauck, der von einem breiten Bündnis aus CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen vorgeschlagen worden war, stimmten 991 der 1.240 Wahlleuten. Auf die von der Linkspartei nominierte Publizistin und „Nazi-Jägerin“ Beate Klarsfeld entfielen 126 Stimmen. Der von der NPD vorgeschlagene Historiker Olaf Rose konnte drei der insgesamt 1.228 gültig abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen.
In seiner Eröffnungsansprache hatte es Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zuvor als glückliche Fügung bezeichnet, daß die Wahlversammlung an einem 18. März zusammen gekommen ist. Dieses Datum stehe wie wenig andere für eine demokratische Traditionslinie, angefangen mit der Ausrufung der Mainzer Republik am 18. März 1793 über die Revolution von 1848 bis hin zu den freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990. „Der 18. März ist ein nicht wegzudenkender Baustein unserer Verfassungstradition“, sagte der Parlamentspräsident, der sich dafür aussprach, die Versammlung künftig immer an einem 18. März stattfinden zu lassen.
Lammert sieht keine Staatskrise
Mit Blick auf die öffentliche Debatte, die dem Rücktritt Wulffs vorausgegangen war, kritisierte Lammert die Rolle von Teilen der Medien. Das Amt des Bundespräsidenten habe aber keinen Schaden genommen, von einer Staatskrise könne nicht die Rede sein.
Vor der Abstimmung ließ Lammert über mehrere Anträge der NPD zur Geschäftsordnung abstimmen, die allerdings allesamt abgelehnt wurden.
Die Neuwahl des Bundespräsidenten war notwendig geworden, nachdem Gaucks Vorgänger Christian Wulff am 17. Februar von seinem Amt zurückgetreten war. Dem Amtsverzicht waren wochenlange Vorwürfe der Vorteilsnahme gegen Wulff vorausgegangen. Am Abend vor seinem Rücktritt war bekannt geworden, daß die Staatsanwaltschaft Hannover beabsichtige, beim Bundestag die Aufhebung der Immunität Wulffs zu beantragen.
Gauck strebt Annährung von Regierenden und Bevölkerung an
In seiner Rede vor der Bundesversammlung erinnerte Gauck an die Wahl zur DDR-Volkskammer im Jahr 1990, bei der die Menschen in der DDR nach 56 Jahren Herrschaft von Diktatoren endlich Bürger sein durften. Er werde sich immer an die Ohnmacht der Untertanen und das Glück der Befreiung erinnern, aus dem sich die Pflicht und das Glück der Verantwortung ergebe, sagte er.
Für seine Amtszeit als Bundespräsident setzte sich Gauck die Annährung von Regierenden und Bevölkerung zum Ziel. Das Land sei aller Mühen wert, es so den Kindern anzuvertrauen, daß diese dann auch „unser Land“ sagen könnten. (ms)