WASHINGTON D.C. Der frühere US-Sicherheitsberater John Bolton hat Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) scharf kritisiert. Dieser habe einen Fehler gemacht, als er im Anschluß an Donald Trumps Demütigung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj erklärt habe, „die Abhängigkeit Deutschlands von den USA“ verringern zu wollen, sagte Bolton der Welt. Das komme Trump nur entgegen, der daraus ableiten könnte: „Wenn Deutschland die USA nicht in der Nato will, dann gehen wir eben.“
Bolton warnte, Europa dürfe dem amerikanischen Präsidenten keinen Vorwand liefern, sich aus dem westlichen Bündnis zurückzuziehen. Ohne US-Schutz sei der Kontinent nicht verteidigungsfähig. Es würde zu lange dauern, die nötigen Kapazitäten aufzubauen, betonte Bolton: „Wenn man sich überlegt, was an Geheimdienstkapazitäten gebraucht wird und an Logistik, das kann Europa unmöglich in den kommenden 43 Monaten entwickeln.“
Bolton sieht Europa in der Rüstungsfalle
Europa müsse deshalb vor allem den Schaden begrenzen, der während Trumps verbleibender Amtszeit entstehen könne, und anschließend verlorenes Vertrauen wiederherstellen. Ein zügiger militärischer Ausbau sei unverzichtbar. Nato-Staaten sollten Boltons Ansicht nach Trumps Forderung aufgreifen und künftig mindestens fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. „In Deutschland muß etwa der größte Teil der Ausrüstung ersetzt werden, die deutschen Schiffe und die deutschen Panzer sind den Aufgaben nicht gewachsen. Deutschland muß auch 35 Milliarden Euro ausgeben, um F-35-Kampfjets zu kaufen, und es braucht noch viel mehr.“
Die Sicherheitslage sei das Resultat jahrzehntelanger Illusionen. „Seit dem Fall der Sowjetunion hatten wir uns alle der Illusion hingegeben, daß die Geschichte geendet habe und wir Verteidigungsausgaben streichen könnten“, sagte Bolton. „Jetzt zahlen wir den Preis dafür.“
Trump ohne Strategie – und Europa im Risiko
Trump selbst unterstelle er keine geopolitische Gesamtstrategie. Der Präsident entscheide aus dem Bauch heraus, bewerte internationale Beziehungen vor allem nach persönlicher Sympathie und vermenge politische Interessen mit privaten Eindrücken. „Trump hat kein Weltbild“, sagte Bolton. „Er sieht diesen Tisch, dann sieht er den Stuhl und dann die Lampe da drüben, aber er hat keinen Gesamtblick auf den Raum.“
Ein Rückzug der USA aus der Weltpolitik würde nach Boltons Einschätzung nicht zu einer „regelbasierten Ordnung“ führen, sondern Chaos oder Machtverschiebungen in autoritäre Hände auslösen. „Wenn es irgendeine Ordnung in der Welt gibt, dann wegen der Macht der USA und seiner Verbündeten“, erklärte er. Die Chinesen, so Bolton, warteten nur auf eine Gelegenheit, daraus Kapital zu schlagen. (lb)