PARIS. Der Schulleiter einer Pariser Schule hat nach Morddrohungen seinen Rücktritt bekannt gegeben. Grund für die Drohungen ist offenbar ein Streit, den sich der Lehrer im Februar mit einer Schülerin des Lycée Maurice-Ravel geliefert hatte, wie das französische Magazin Valeurs Actuelles berichtet. Er hatte die 19jährige aufgefordert, ihr Kopftuch abzulegen, wie es nach französischem Gesetz in Bildungseinrichtungen Pflicht ist.
Der Schulleiter habe sein Amt „aus Sicherheitsgründen niedergelegt“, heißt es nun in einem Schreiben, das am Dienstag an Eltern, Schüler und Lehrerkollegen verschickt wurde. Ohnehin habe der Pädagoge kurz vor der Pensionierung gestanden. Aufgrund der Drohungen werde er nun vorzeitig in den Ruhestand gehen, zitiert die Zeitung Les Échos aus der Mitteilung.
Am 28. Februar hatte der Lehrer drei Schülerinnen aufgefordert, ihre Kopftücher abzulegen, solange sie sich auf dem Schulgelände aufhalten. Eines der Mädchen weigerte sich und geriet daraufhin mit dem Schulleiter in einen Streit. Aufgrund der in Frankreich äußerst strikten Trennung von Staat und Religion ist es dort Schülern seit dem Jahr 2004 verboten, irgendwelche Kleidungsstücke oder Symbole zu tragen, die auf ihre Religionszugehörigkeit hinweisen.
Schülerin erstattete Anzeige
Nach dem Vorfall kamen Polizeibeamte zur Schule. Die Schülerin stellte eine Anzeige gegen den Schulleiter und berichtete der Zeitung Le Parisien, der Schulleiter habe sie „heftig am Arm geklopft“. In den Wochen darauf demonstrierten Schüler vor der Bildungseinrichtung und forderten den Rücktritt des Schulleiters.
In sozialen Netzwerken veröffentlichten Menschen Morddrohungen gegen den Pädagogen. Mindestens eine Person, ein 26jähriger Mann, wurde aufgrund von Todesdrohungen festgenommen. Der Unterricht der Schule mußte zeitweise ausfallen.
Premierminister Gabriel Attal (Renaissance-Partei) kündigte am Mittwoch an, daß der Staat gegen die 19jährige Schülerin wegen „verleumderischer Denunziation“ vorgehen werde. Der Schulleiter habe lediglich seine Arbeit getan und das Gesetz angewendet. „Die Laizität wird in unseren Schulen ständig auf die Probe gestellt“, sagte Attal. Der Staat werde „immer an der Seite seiner Beamten“ und „derer, die an vorderster Front“ gegen die Angriffe des „islamistischen Faschismus“ stünden, stehen.
Pariser Bürgermeisterin ist „entsetzt und bestürzt“
Auch Bildungsministerin Nicole Belloubet versicherte dem Schulleiter ihre Unterstützung und besuchte die Einrichtung kurz nach dem Vorfall. Die Drohungen seien „absolut inakzeptabel“. Die Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo (Parti socialiste) sprach demnach dem Schulleiter in einem Telefonat ihre „volle Unterstützung“ aus. Sie sei „entsetzt und bestürzt über die Situation“.
In den vergangenen Jahren kam es in Frankreich immer wieder zu islamistisch motivierten Angriffen auf Lehrer. Im Oktober 2020 enthauptete ein 18jähriger Tschetschene den Pariser Geschichts- und Geographielehrer Samuel Paty, weil dieser in seinem Unterricht die Mohammed-Karikaturen der Satirezeitung Charlie Hebdo besprochen und dabei den Schülern gezeigt hatte.
In der nordfranzösischen Stadt Arras ermordete ein 20jähriger Anhänger des Islamischen Staates im Oktober 2023 seinen Französischlehrer. Der Lehrer habe durch die Wahl seines Unterrichtsfaches „seine Leidenschaft, seine Liebe und seine Verbundenheit“ mit der Französischen Republik vermittelt und dadurch die Werte der Ungläubigen vertreten, bekundete der Täter gegenüber der Polizei. (lb)